Mittwoch, 27. April 2011

Auf geht's, ab gehts, zwei Tage wach

Zwischenstation München, 9.30 Uhr, Regen, neun Grad Außentemperatur. Aber ich bin in Deutschland und der Weg dorthin war gar nicht so steinig, wie ich befürchtet habe.


Tel Aviv, 2.45 Uhr, kein Regen, draußen ist es wärmer als neun Grad, jedenfalls ist mir wärmer mit meinem Schal, den beiden Jacken und dem Rucksack auf dem Rücken. Mein Handgepäck lasse ich eine Sekunde aus den Augen, um einen Gepäckwagen zu holen, schon fragt eine besorgte Mitreisende aus dem Serviceteaxi, wem das Gepäck gehöre. Aber keine Bange, ich bin ja da.


Der Flughafen ist übervoll. Nach Marcs Erzählungen habe ich mir so etwas wie einen gähnend leeren Flughafen vorgestellt, an dem Schwerverbrecher und Leute, die im Westjordanland waren, sofort erkannt und eingesackt werden. Das ist bei mir nicht der Fall, ich folge der Masse und warte wie alle anderen auch vor der ersten Sicherheitsüberprüfung.


Eine Sicherheitsbeamtin kommt vorbei, die üblichen Fragen, wo bist du gewesen, warum warst du hier (bei dieser kurzen Befragung erspare ich uns beiden die Details) und als sie den syrischen Stempel entdeckt, wird ein anderer Kollege gebeten, sich um mich zu kümmern. Auch er ist so freundlich, wie Israelis es sein können, stellt dieselben Fragen, was ich in Syrien gemacht habe, mit wem ich unterwegs gewesen bin, ob ich ihm bitte den Namen meines Verlobten nennen könne, aha, ein Deutscher also, na dann, weiter warten. Die Nummer, die er mir aufdrückt, ist die Fünf, die bekommen offenbar alle, die irgendwie weiter überprüft werden müssen. Das sind allein reisende Frauen wie ich, zwei Kumpels, die wirklich nicht so aussehen, als wären sie irgendwo in der Wildnis (zum Beispiel in der Nähe von Itamar, soll's alles schon gegeben haben) zelten gewesen, auch ein junges Paar – der Mann lächelt die ganze Zeit und trägt eine Leinenhose, da muss man ja misstrauisch werden.


Ich stehe also mit einem Haufen anderer zusammen, die alle wie ich nach München wollen und die keine Lust mehr aufs Warten haben. Denn es dauert lang, wenn jedes Gepäckstück vor den Augen aller ausgeräumt und nach explosivem Material untersucht wird. Neben mir werden Babywindeln und Schuhe mit Strasssteinchen ausgepackt, im Gegenzug zeige ich meinen neuen Duschvorhang vor und eine Karte, auf der detailliert Checkpoints, Siedlungen und Straßenblockaden im Westjordanland und in Gaza aufgezeichnet sind – ist der Flughafenbeamtin aber alles Wurscht, sie will nur möglichst viel auspacken, stellt keine Fragen, sondern wischt mit ihrem mysteriösen Sprengstofffinder in meinen Sachen herum. Hinterher bietet sie sogar an, mir beim Einpacken zu helfen und bringt mich zum Check-In. Ich bin verwirrt von so viel Höflichkeit.


Nach dem Check-In wartet nur noch die Kontrolle des Handgepäcks. Ein Thai vor mir hat seine Saftsammlung eingepackt, darf er nicht, klar. Bei mir stutzt der Beamte kurz bei der Dattelpaste, die mir Samar für die Osterkekse geschenkt hat. Ich darf sie behalten, aber er muss ein Loch durch die Verpackung stechen, kauf ich mir halt nächstes Jahr neue Paste, wenn die alte jetzt in ihrer löcherigen Verpackung anfängt zu schimmeln.


Ich bin selbst überrascht, aber das war's. Keine Extrabehandlung, nicht mal der Ansatz einer Befragung wie sie bei der Einreise durchgeführt wurde. Alles Routine, ich bin ein kleines Licht unter vielen – umso besser. Das einzig Unangenehme, das andere vielleicht nicht hatten, war mein blockierter Gepäckwagen, der nur nach links fahren wollte und ein blöder Franzose, der sich frech vorgedrängt hat und nach meinem Kommentar, das sei nicht sehr höflich, wo doch alle hier lang warten müssen, auch noch aggressiv wurde.


Fazit: Es mag manchmal so sein, dass der Abflug aus Israel schwieriger ist als ins Land einzureisen – bei mir war das nicht der Fall. Aber wenn ich das nächste Mal nach Israel reisen sollte, nehme ich vielleicht einen Koffer mit. Den kann man leichter ein- und auspacken.

Montag, 25. April 2011

Khalas Habibi, der Abflug naht

Es geht dem Ende zu, nicht mehr lang und ich stehe am Berliner Flughafen, wo ich vor fast genau zwei Monaten aufgeregt meine beiden Flugtickets vorzeigte (ohne Rückflugticket keine Ausreise nach Israel) und mich schon mal vor den Israelis in Tel Aviv fürchtete - in einer ähnlichen Situation befinde ich mich jetzt.


Zusammengefasst kann ich sagen: Es war schön. Oft werde ich gefragt, ob ich wiederkomme, darauf antworte ich dann mit einem ja, vielleicht, warum nicht? Aber zuerst einmal werde ich nach Hause zurückkommen, denn vieles wartet, worauf ich mich freue.


Zum Beispiel...

... die Freiheit, das anzuziehen, was ich möchte. Auch bei 37 Grad lange Hose und langärmliges Oberteil tragen und trotzdem noch das Gefühl zu haben, unpassend gekleidet zu sein, weil Frauen grundsätzlich in Highheels durch die Gegend stöckeln und FlipFlops mit einem langen, missbilligenden Blick bedacht werden, macht auf Dauer keinen Spaß.

... das gute Gefühl, unbehelligt durch die Straße schlendern zu können, ohne dass gehupt oder gepfiffen wird, ohne dass jemand stehen bleibt und "Oh my God, you are beautiful" sagt, ohne dass Autofahrer gaaaanz langsam vorbeifahren und einen von oben bis unten beäugen. Das Ärgerliche ist: Das alles passiert nur Ausländerinnen, egal wie gammelig der Look, egal wie züchtig gesenkt der Blick.

... das Wiedersehen mit Freunden und Familie, eine Hochzeitsfeier und die Vorbereitung einer weiteren.

... Bauernbrot mit Butter, lang nicht mehr gehabt. Pita ist super, aber auf Dauer doch irgendwie eintönig.

... mein Fahrrad. Jeden Tag laufe ich mehrere Kilometer, schon der Arbeitsplatz ist zu Fuß etwa eine halbe Stunde entfernt. Noch dazu liegt Bethlehem auf einem Berg, überall wo's runtergeht, muss man auch wieder hoch.

... Milchkaffee. Habe ich ganz am Anfang versucht zu ordern, als der Gastgeber eine Runde Kaffee ausschenken wollte, ist aber ein Tabu. Araber trinken arabischen Kaffee, tiefschwarz, gesüßt, manchmal auch mit Kardamon verfeinert. Kriegt man auch irgendwie runter, ist aber für mein Empfinden weit entfernt vom Genuss eines leckeren Milchkaffees.


In Palästina zurücklassen werde ich...

...eine gemütliche WG mit Platz zum Kochen, Plaudern und der Möglichkeit sich zurückzuziehen.

...meine Turnschuhe. Sechs Jahre lang waren sie treue Weggenossen, aber irgendwann muss man sich doch voneinander trennen. Vor allem, wenn der Platz im Rucksack begrenzt ist.

...mein selbst geschriebenes Wörterbuch mit mehr als hundert neuen Wörtern. Fiel versehentlich aus dem Fenster und wurde im gleichen Augenblick vom Wind oder ein paar Kindern davon getragen. Sehr schade drum, aber ein paar der Wörter sind immerhin schon in meinem Gedächtnis.


Und mitnehmen werde ich...

...das Rezept für Dornenkronen aus Mürbeteig, wird nächstes Jahr zu Ostern ausprobiert, außerdem die Idee für Zitronenlimonade mit Minze. Sehr lecker.

...das gute Gefühl, zwei schöne, erlebnisreiche Monate verbracht zu haben in einem Land, vor dem man keine Angst zu haben braucht. Sicher, es ist Schlimmes passiert: Eine Bombe ist in Jerusalem explodiert, zwei Menschen und eine ganze Familie wurden ermordert. Aber das sind schreckliche Dinge, die wirklich niemand verstehen oder nachvollziehen kann. Ausnahmslos alle Palästinenser, mit denen ich darüber sprach, verurteilten die Morde, den Bombenanschlag in Jerusalem und die Gewalt in und von Gaza.

...hoffentlich ein bisschen von der Gelassenheit, die hier an den Tag gelegt wird, denn wie gesagt: As-sabr jamil, Geduld ist schön. Ein Tee geht immer, Pläne braucht man nicht, denn nur Gott allein weiß, was geschehen wird und am Ende klappt doch alles und fügt sich zum Guten. Habe ich selbst oft erlebt und oft erleichtert festgestellt.

Sonntag, 24. April 2011

Ostersonntag: Singen bei Sonnenaufgang

Der Tag beginnt früh. Während die anderen noch schlafen, schleiche ich mich um halb vier mit Daniel davon, wir wollen ja nicht den Sonnenaufgang in Jerusalem verpassen. Auf dem Ölberg trifft sich die Gemeinde der deutschen evangelisch-lutherischen Erlöserkirche, um dort mit dem Sonnenaufgang Ostern herbeizusingen. Wir sind gut in der Zeit und machen deshalb einen kleinen Umweg, um die streunenden Hunde, die sich bei unserer Ankunft knurrend zusammentun, nicht unnötig zu provozieren.


Vor dem Checkpoint fällt mir dann auf: Ich habe meinen Pass vergessen. "That's a problem", sagt der Soldat. Aber er lässt uns wenigstens ins Niemandsland zwischen den zwei Kontrollpunkten, damit wir dort auf unsere Freunde warten können, die den Pass freundlicherweise mitbringen werden. Kaum haben wir uns niedergelassen, kommen zwei weitere Soldaten.


"What are you doing here?"
"We're waiting for my friends to bring my passport."
"Where are your friends?"
"Behind the wall."
"Where is your passport?"
"I left it in the house."
"Why?"


Und immer so weiter. Am Ende lassen sie uns in Ruhe. Man muss sie ja auch verstehen: Da heute ein wichtiger Tag des jüdischen Pessachfestes ist, sind sie dazu angehalten besonders streng zu kontrollieren und zwei plaudernde Touristen, die morgens um vier Uhr am Checkpoint sitzen, können da schon mal Misstrauen erwecken.


Der Blick auf Jerusalem in der Morgendämmerung

Pünktlich vor Beginn der Dämmerung kommen wir schließlich auf dem Ölberg an. Der Gottesdienst der evangelischen Gemeinde unter freiem Himmel ist weitaus bescheidener als der Trubel, der gestern ums Heilige Feuer veranstaltet wurde. An Heiligkeit fehlt es ihm dafür ebenso wenig, der Singsang der Liturgin, die die Ostergeschichte und vieles andere vorträgt, ist mir schon fast ein bisschen zu heilig, hier hätte ich mir freudige Osterlieder gewünscht, um das erste Licht des Tages zu begrüßen. Aber man kann nicht alles haben. Und die Atmosphäre ist schon eine besondere, als wir, alle mit einer Osterkerze in der Hand, der Sonne entgegensehen, die langsam hinter den Bergen von Jordanien emporsteigt. Unsere eigenen Osterlieder singen wir dann einfach später allein.


Sonnenaufgang auf dem Ölberg

Nach einem Morgenspaziergang in die Jerusalemer Altstadt wartet schließlich ein Osterfrühstück in der Erlöserkirche auf uns, so ganz deutsch mit echtem Schinken, wie extra betont wird. Gekochte Eier, Hefezopf, ein Osterkanon - alles dabei. Am Ende treffe ich sogar noch ein bekanntes Gesicht aus Deutschland: Die Kusine eines Freundes, die ich bei dessen Hochzeit kennen gelernt habe, ist mit ihrer Familie gerade bei den Schwiegereltern zu Besuch, der Schwiegervater leitet die deutsche Schule in Beit Jala. So klein ist die Welt.


Juden feiern mit Musik und Tanz vor den Mauern der Jerusalemer Altstadt

Zurück in Bethlehem bringt mich eine Familie im Auto nach Hause. Frida, Mutter und Ehefrau, erzählt ein bisschen aufgeregt davon, dass sie eine Einreisegenehmigung nach Jerusalem bekommen haben. So war es ihnen möglich, die Messe in der katholischen Kirche zu besuchen. Von ihr lerne ich dann noch den arabischen Ostergruß:


"Messiah qam. Haqiqa qam."

"Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden."

Samstag, 23. April 2011

Orthodoxe Ostern: Das Heilige Feuer

Jedes Jahr an Karsamstag geschieht in Jerusalem das Wunder des Heiligen Feuers. In der Grabeskapelle in der Grabeskirche entzündet sich um die Mittagszeit eine Kerze in der Hand des orthodoxen Patriarchen - offenbar ganz von selbst und ohne jegliches Fremdeinwirken. Diese Flamme wird dann in der Kirche vom Priester nach Verlassen des Grabes an die Gläubigen weitergereicht. Alle palästinensischen Christen, die zu der Zeit nicht in Jerusalem sind, warten auf die Priester und Pfadfindergruppen, die das Feuer weitertragen in die unterschiedlichen Städte.

Die Dokumentation "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" gibt hier einen schönen Einblick ins Leben der Grabeskirche und wie die unterschiedlichen Konfessionen dort miteinander auskommen - oder eben auch nicht:


Da die Jerusalemer Altstadt und vor allem die Grabeskirche wahrscheinlich auch heute prall gefüllt war und es möglicherweise auch nicht ganz ohne Stress und Gewalt ging, haben wir uns gleich für einen anderen Standort entschieden und uns in Beit Jala, Bethlehems Nachbarstadt, positioniert.

In der Kleinstadt herrscht fast Volksfeststimmung, alle haben sich herausgeputzt, Jungs in schwarzen Anzügen und mit einer Extraportion Gel in den Haaren, Mädchen auf Highheels und in extrakurzen Kleidern.

Schaulaufen: Die Mädels stöckeln, die Jungs starren

Wir warten eine Weile, besorgen uns Kerzen und stehen lange herum, bis die eigentliche Prozession beginnt: Unterschiedliche Pfadfindergruppen ziehen trommelnd und Dudelsack spielend vorbei, Fahnen und Säbel werden geschwenkt.

Gruppe für Gruppe zieht vorbei, alle nach ihrem March durch Bethlehem schon ein bisschen erschöpft

Die ganze Party ist aber nur das Vorgeplänkel für das wahre wichtige Ereignis des Tages: Die Weitergabe des Heiligen Feuers, das den Weg von Jerusalem zu uns gekommen ist.

Das Feuer ist da - eingehüllt in eine Weihrauchwolke bahnt sich der Priester seinen Weg durch die Menge

In der Kirche Santa Maria drängen sich die Menschen, Kerze für Kerze wird erleuchtet, die Leute beginnen zu singen, streichen mit den Fingern über die Flammen und dann über ihr Gesicht. Der Priester verspritzt Weihwasser, wieder wird gesungen, dann geklatscht - eine wahrhaft heilige und sehr erhabene Atmosphäre.

Freitag, 22. April 2011

Ostervorbereitungen

Drei Kilogramm Teig hat Samar Shahel vorbereitet. Aus der Mischung aus Grieß, Butter und Öl formt sie Kugeln und arbeitet Dattelpaste hinein. Flachgedrückt und mit dem richtigen Muster am Rand stellt das zarte Mürbegebäck später die Dornenkrone Jesu dar, die ihm Soldaten zum Spott vor der Kreuzigung aufsetzten. Auch Plätzchen in Form des mit Essig getränkten Schwamms oder solche, die das Grab Jesu symbolisieren, werden derzeit in vielen palästinensischen Haushalten vorbereitet. Samar hat sich dagegen auf das eine Rezept beschränkt, mehr, sagt sie, werde sowieso nicht gegessen.


Bis Samstag muss alles fertig sein: Samar bereitet Plätzchenteig vor


Neben Weihnachten und dem Fest für die Heilige Barbara, der im Februar mit einer Süßspeise aus Getreide gedacht wird, ist Ostern für die 53-jährige syrisch-orthodoxe Christin eines der wichtigsten Feste. Zusammen mit vielen anderen Menschen wird auch Samar am Heiligen Samstag auf dem Bethlehemer Krippenplatz stehen und warten, bis am frühen Nachmittag das Heilige Feuer aus Jerusalem gebracht wird. „Wir werden Osterlieder singen und das Halleluja anstimmen, das ist immer eine ganz besondere Atmosphäre.“


Die Dornenkrone Jesu: Symbolisches Gebäck aus Mürbeteig für die Osterzeit


In Jerusalem selbst war Samar am Heiligen Samstag erst einmal, vor etwa 30 Jahren. „Ich habe mich dort zu Tode gefürchtet“, erinnert sie sich. Denn gerade wenn die Osterfeste aller Kirchen wie auch in diesem Jahr auf einen Tag zusammenfallen, kann es in der Jerusalemer Grabeskirche schnell gefährlich werden. Dann reicht es, wenn ein Priester an der falschen Stelle steht oder mit seinem Gefolge zu viel Platz einnimmt, und Verantwortliche der unterschiedlichen Kirchen beginnen sich zu streiten und handgreiflich zu werden – und das, wo jeder Winkel des Gotteshauses und der gesamten Jerusalemer Altstadt mit Christen aus aller Welt gefüllt ist.


Dass ihr am Heiligen Samstag der Einlass nach Jerusalem als Palästinenserin aus dem Westjordanland verwehrt wird, nimmt Samar darum gelassen hin. Viel mehr bedauert sie, dass sie am Sonntag, dem Tag, an dem sich Familien traditionell untereinander besuchen, allein mit ihrem Bruder in Bethlehem zurückbleibt, während der andere Teil der Familie sich dieses Jahr in Jerusalem trifft. Dort wohnt die Nichte mit ihrer Familie, deren Haus sie noch nie gesehen hat. „Es ist schon bitter“, so Samar. Zwölf Jahre habe sie in den Vereinigten Staaten verbracht, „ich war in Kalifornien, in New York, auf Hawaii und hier kann ich mich in meinem eigenen Land nicht frei bewegen.“


Saliba Rishmawi setzt sich für die Ökumene und interreligiöse Dialoge ein, die Willkür des israelischen Militärs macht ihn trotzdem wütend

Auch Saliba Rishmawi wird wütend, wenn er an die Willkür des israelischen Militärs denkt. Als Pastor der evangelisch-lutherischen Hoffnungskirche in Ramallah hat er für seine Gemeinde Reisegenehmigungen nach Jerusalem beantragt, weniger als die Hälfte davon wurden bewilligt. Dass in diesem Jahr auch noch das jüdische Passahfest mit den christlichen Ostertagen zusammenfällt, macht die Situation nicht einfacher. Zwar sollen die Soldaten an christlichen Feiertagen besonders wohlwollend mit Ausreisegenehmigungen für Palästinenser umgehen, jüdische Festtage erfordern auf der anderen Seite aber ein noch höheres Maß an Sicherheit und strengere Kontrollen. So kann es passieren, dass palästinensische Christen aus dem Westjordanland zwar eine Einreiseerlaubnis für Jerusalem bekommen, der Checkpoint am Ende aber trotzdem geschlossen bleibt. „Jeder Christ würde alles tun, um diesen Tag in Jerusalem zu verbringen. Wer gibt ihnen das Recht, Juden zur Klagemauer in Jerusalem gehen zu lassen, aber uns Palästinensern nicht zu erlauben, die christlichen Stätten zu besuchen?“, so Rishmawi.


Der Tradition folgend und aus Freundschaft zu den katholischen und orthodoxen Kirchen, mit denen er in Ramallah eng zusammenarbeitet, wird auch Saliba Rishmawi zusammen mit seiner Gemeinde am Samstag auf das Heilige Feuer warten. „Es ist zwar nicht unsere Tradition“, gibt der lutherische Pastor zu. „Aber irgendetwas passiert dort in der Kirche und es ist egal, ob es ihr Glaube oder auch nur eine Tradition ist: Wir als Lutheraner haben kein Problem damit, diesen Glauben an das Feuer zu teilen. Jesus lebt, er ist auferstanden, also können wir auch getrost an das Wunder des Heiligen Feuers glauben.“



Am Ostersonntag ist die Kirche mit allen möglichen Osterblumen wie diesen speziellen Lilien geschmückt

Bis zum Ostersonntag wird sich die Hoffnungskirche in Ramallah zudem weiter mit Blumen füllen. Eine seltene Lilienart pflückt der Pastor von seinem eigenen Land. „Diese Osterblumen sind sehr selten und sie blühen nur zwei Wochen lang.“ Überall in der Kirche, auf dem Altar, am Kreuz werden unterschiedlichste Frühlingsblumen am Ostersonntag an die Auferstehung Christi erinnern. „Später lade ich die gesamte Gemeinde zu mir nach Hause ein“, so Rishmawi. Dort werden dann gefärbte Eier verteilt, Süßigkeiten und Kaffee.


Die Freude an dem Osterfest kann den Palästinensern so schnell niemand nehmen, die Vorbereitungen lenken zudem von aller Frustration ab. Stühle muss Pastor Rishmawi noch besorgen, damit sich auch alle bei ihm im Wohnzimmer niederlassen können. Außerdem wartet er auf den Maler, der die Wände von vereinzelten Schimmelflecken befreien soll. Auch Samar hat noch einen Hausputz vor sich. Der Boden, die Wände, die Fenster, die Bilder – alles muss blitzblank sein, schließlich wird am Wochenende Jesus, der Auferstandene, in Empfang genommen.

Donnerstag, 21. April 2011

Funkstille im Aida Camp

Das Flüchtlingslager, in dem wir untergekommen sind, ist wie eine große Familie. Wenn jemand beerdigt wird, stehen die Autos bis an den Rand des Camps, wenn jemand aus dem Gefängnis entlassen wurde, weiß es die ganze Nachbarschaft. Hier wird zusammen gefeiert, getrauert, getratscht.

Gestern Nacht waren die Menschen nach dem Match zwischen Real Madrid und Barcelona außer Rand und Band und rannten trommelnd und schreiend durchs Viertel. Jetzt gerade gibt's ne Hochzeit - mit Musik, Tanz und Feuerwerk. Genauso wie uns sonst der Muezzin ins Ohr brüllt, hallt jetzt arabische Dudelmusik durch die Nachbarschaft.

Da ist so ein kleiner Stromausfall zwischendurch ganz erholsam, kommt immer wieder vor und bringt eine Minute Ruhe und Dunkelheit. Sogar der Muezzin hat dann Funkstille, denn der braucht mittlerweile auch Unterstützung von einem Lautsprecher, um alle seine Schäfchen zu erreichen, hamdulillah.

Mittwoch, 20. April 2011

Alltag


Mein Haus, mein Block, meine Moschee: Wir wohnen im ersten Stock des Hauses, das genau vor der Moschee steht - die Gebetszeiten können wir gar nicht verpassen

Es mag vielleicht nicht den Anschein haben, aber es gibt ihn, diesen Alltag, obwohl den langweiligen Tagen immer wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht wird, wenn zum Beispiel jemand von einer Wanderung erzählt, die stattfinden soll oder von einem Film oder von einer Hochzeit oder oder. Und schwupps wird man aus dem vermeintlichen Alltag wieder herausgerissen, obwohl man sich den langweiligen Tag schon so gut vorgeplant hat.

Waschtag: Da wir keine Leine auf dem Dach haben, müssen wir improvisieren - bringt auch ein bisschen Bewegung, sich immer unter der Leine durchzubücken

Mein Alltag beginnt gegen acht Uhr mit Frühstück, das durch zahlreiche Besuche, die uns mit Müsli versorgten, ein bisschen aus den Fugen geraten ist. Als ich ankam, bestand das Frühstück aus Brot und Hummus, ich habe es dann durch Schokocreme in Schwarz-Weiß erweitert, später kam Honig dazu und Tahina, ungesüßte Sesampaste.

Dass wir Weißbrot in Scheiben da hatten, lag auch an den Besuchern, denen war das Pitabrot schon nach wenigen Tagen zu doof

Nach dem Frühstück geht's zur Arbeit, früher zu dritt, heute häufiger allein. Allein zur Arbeit gehen, macht nicht so viel Spaß, der Fußweg dauert eine halbe Stunde und führt an vielen Männern und ihren Kommentaren vorbei, das heißt: Blicken ausweichen, Straßenseite wechseln und sich nicht den Morgen verderben lassen.

Die Arbeit im Büro gehört zu den langweiligeren Abschnitten im Alltag. Denn wer im Büro sitzt, hat gerade keinen spannenden Termin und erlebt keine spannende Geschichte, die er aufschreiben könnte. Wenn es allzu öde wird, hilft eine Runde durch die Altstadt und ein kleiner Plausch mit Tee beim Shopbesitzer nebenan. Durch den erfährt man dann vielleicht sogar, was gerade so in der Stadt läuft und bekommt neue Ideen.

Das Wohnzimmer: Viel Platz zum Sitzen, Quatschen, Karten spielen und Übernachten

Auf dem Nachhauseweg geht's dann noch kurz zum Gemüsemann, Sachen fürs Abendessen kaufen, an den Soldaten vorm Intercontinental vorbei, das passenderweise genau vor dem Eingang des Flüchtlingslagers steht, und ab nach Hause. Mit dem Ruf des Muezzin beginnt das Essen, danach zusammen sitzen, wahlweise mit Film oder ohne, telefonieren, manchmal sogar noch arbeiten und ins Bett.

Ein Blick aus dem Wohnzimmerfenster: Vollmond und Wachturmbeleuchtung strahlen um die Wette

Dienstag, 19. April 2011

Qalandiya – Warten am Checkpoint

Der Bus hält, fährt wieder an, stop and go, stop and go. Schließlich bleibt er vor dem großen Wachturm stehen. Fast erleichtert machst du dich bereit auszusteigen, vielleicht kommst du zu Fuß sogar schneller durch den Checkpoint. Du folgst den Einheimischen, bleibst dicht hinter zwei Frauen, Mutter und Tochter vielleicht. Einfach das tun, was sie tun, dann kann nichts schief gehen. Vor einem schmalen Gittergang bleibst du stehen. Den Durchgang versperrt ein Drehkreuz, das ans Freibad erinnert. Das Blöde ist nur: Alle wollen ins Freibad, am liebsten gleich.

Vor dir stehen vielleicht neun Menschen, du bist noch nicht am Durchgang angelangt. Du versuchst die Wartezeit zu überschlagen: Wie lang wird es dauern, wenn drei Menschen hintereinander der Zugang zum nächsten Level gewährt wird und das alle geschätzten zehn Minuten? Du schaust dich um. Vor dir, hinter dir, neben dir Menschen mit leeren Gesichtern. Die beiden Frauen sind immer noch in deiner Nähe, die jüngere telefoniert, du verstehst das Wort machsum, Checkpoint. Wenigstens wartet auf dich kein wichtiger Termin, trotzdem beginnst du die Minuten zu zählen. Zentimeterweise rückst du vor, lässt kaum Platz zwischen dir und dem breiten Rücken der älteren Frau vor dir, obwohl gerade du es unangenehm findest, wenn jemand dir auf die Pelle rückt.

Das Drehkreuz bewegt sich, du rückst nach in den Gittergang. Nur noch wenige Schritte und du hast den Eingang des vermeintlichen Schwimmbads erreicht. Fast kannst du das fröhliche Lärmen der Kinder hören, das Schmatzen nasser Füße auf Asphalt. Pommesgeruch hängt in der Luft – oder heute doch lieber ein Eis am Stiel?


Vor dir, hinter dir leere Gesichter. Du spähst durch das Gitter, von Schwimmbad keine Spur. Stattdessen ein breiter Gang, kameraüberwacht, noch ein Drehkreuz, noch mehr wartende Menschen. Du hältst dich weiterhin an Mutter und Tochter. Als die Ältere der beiden nicht aufpasst, schiebst du dich halb an ihr vorbei, obwohl du Vordrängler hasst. Die Rechnung kommt prompt, empört drängt dich die alte Frau zurück, einen Versuch war's wert. Bloß dicht hinter ihr bleiben, lass dich nicht abdrängen, sonst war's das mit Schwimmbad. Von hinten schieben Menschen nach. Drei Kinder klopfen gelangweilt gegen das Wellblech des Wartebereichs. Das jüngste, ein Säugling noch, hat sich auf dem Arm der Mutter bereits heiser geschrien.

Du stellst dir vor, es sei Sommer. Schwitzende Körper, dicht gedrängt unter dem Plastikdach. In der Nähe steht ein Wasserspender, aber dort hinzugehen, würde dich wertvolle Minuten in der Warteschlange zurückwerfen. Du bleibst weiter dicht hinter dem breiten Rücken der älteren Frau. Wenn sie sich vordrängt, wirst du dich einfach hinterher drängen. Aber es ist kein Platz, jeder Quadratzentimeter ist ausgefüllt.

Das Baby schreit kontinuierlich weiter. Das Weinen strapaziert offensichtlich nicht nur deine Nerven, die Wartenden lassen die Mutter mit ihren vier Kindern vor bis zum Drehkreuz. Eine andere Mutter hat Pech gehabt, die Einjährige auf ihrem Arm quengelt nicht laut und anhaltend genug. Du überlegst: Vielleicht sollte man seinen Kindern das richtige Weinen beibringen, um schneller durch den Checkpoint zu kommen? Hinter dir stützt sich ein Mann auf einen Krückstock. Was ist, wenn jemand umfällt, was passiert mit Notfällen?


Das Drehkreuz lässt immer nur drei Menschen auf einmal durch, es bringt nichts, dass sie versuchen, sich zu zweit zwischen die Gitterstäbe zu quetschen. Aus dem Lautsprecher knarzt die Stimme des Soldaten: „Immer nur einer!“ Der Rücken vor dir drängt zurück, du drängst vor, in eine andere Richtung kannst du nicht. Zur Seite vielleicht, um Luft zu schnappen, aber dann würde sich sofort ein anderer deinen Platz schnappen.

Nebenan wird ein weiterer Kontrollpunkt geöffnet, Menschen strömen in Richtung Drehkreuz. Durch deine Warteschlange geht ein empörtes Raunen, dann kollektives Aufatmen: Die anderen müssen auch warten.

Neben dir quengelt die Einjährige auf dem Arm ihrer Mutter, die Erwachsenen um sie herum haben nicht mal mehr Lust, Späße mit ihr zu machen. Wie schwer die Kleine in den Armen der Mutter werden muss, dabei würdest sogar du schon gern deinen Kopf an den breiten Rücken der Frau vor dir lehnen. Unwillkürlich fragst du dich, wo der Schalter für Touristen ist. Gibt es hier keine Sonderbehandlung?


Es ist stickig, du steckst fest und je näher du dem Drehkreuz kommst, desto stärker wird das Gedränge. Jetzt bloß nicht abdrängen lassen, Stellung halten, der nächste Platz gehört dir! Deine Nerven sind gespannt wie vor dem Startschuss beim Sprint. Nicht das Klicken verpassen, das die Blockade aufhebt und den nächsten drei Menschen Durchlass gewährt. Du leerst schon mal deine Hosentaschen, Handy, Schlüssel, Geldbeutel und steckst alles in die Jackentasche. Wenn du auf der anderen Seite angekommen bist, muss alles ganz schnell gehen, Jacke aus, Rucksack ab, alles zügig in der Plastikbox verstauen und durch den Scanner schieben. Es wäre fatal, wenn du den Ärger der Einheimischen auf dich ziehen würdest, weil du trödelst. Deinen Pass hältst du in der rechten Hand, den Zeigefinger zwischen den Seiten mit deinem Foto, den Mittelfinger dort, wo dein Visum eingestempelt wurde. Das ist es, was sie sehen wollen, mittlerweile hast du gelernt.

Es klickt, du schiebst dich vorwärts. Alles, was Alarm auslösen würde, wird durch den Scanner gefahren, du selbst darfst passieren. Der Soldat hinter der Glasscheibe hat ein rundes, freundliches Gesicht mit Sommersprossen. Er sieht viel zu nett aus, als dass er absichtlich eine ganze Menschenmenge gegen sich aufbringen würde. Kurz kneift er die Augen zusammen, studiert dein Passbild und das Visum, rechnet nach, es hat alles seine Richtigkeit. Er lächelt, nickt - du hast es geschafft.

Montag, 18. April 2011

Die Israelis und ihre Sicherheit

Da machen die Israelis so viel Gedöns um ihre Sicherheit und wir uns so viele Sorgen, ob Palästinensertücher, Arabischwörterbücher oder Dokumente über Palästinensergebiete im Gepäck wohl zu viel Aufsehen erregen und am Ende übersehen die Sicherheitsleute am Flughafen Pistole und Munition im Gepäck eines israelischen Offiziers. Erst in Budapest, wo der Mann, der mit Frau und Kindern unterwegs war, in ein Flugzeug nach Amerika umsteigen wollte, wurde die Waffe entdeckt, wie die israelische Tageszeitung Haaretz heute berichtete. Offenbar habe ein Verwandter die Pistole in der Tasche vergessen, gab der Mann an.

Das Gute ist ja, dass alle Befragungen, die doppelt und dreifach durchgeführt werden (Warum bist du hier? Wohin willst du? Wen kennst du hier? Wie heißt dein Großvater?), nur der eigenen Sicherheit dienen sollen, wie auch der Trailer von "Salt of this Sea" ganz schön zeigt.



Deshalb müssen sich Menschen bis auf die Unterhose ausziehen, ihr Gepäck ein- und wieder auspacken und bei allem, was man bisweilen für reine Schikane halten könnte, einfach ruhig bleiben und tun, was das Sicherheitspersonal verlangt. Frauen sind übrigens besonders gefährlich einzustufen, sie könnten sich einen Palästinenser angelacht haben und Bomben für ihn schmuggeln wollen, erklärte mir kürzlich eine jüdische Journalistin. Genauso befragt wurden aber auch Moritz, Marc und Marco, die beim Abflug alle ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht haben.

Sonntag, 17. April 2011

Palmsonntag in Jerusalem

Das Schönste, die Prozession mit Palmwedeln auf dem Ölberg, konnte ich leider nicht miterleben. Aber schon der Gottesdienst in der deutschen Gemeinde der lutherischen Erlöserkirche in Jerusalem hatte etwas Besonderes. Das Bild von Jesus auf seinem Esel passt einfach so gut in die Altstadt, das Gewusel, die Arbeiter, die ihre Karren durch die Menschenmange schieben - so könnte es damals auch gewesen sein.

Diese Mönche haben ihre eigene Palmwedelprozession schon vorgezogen und waren noch vor Gottesdienstzeit unterwegs

Probst Uwe Gräbe, zuständig für die evangelischen Einrichtungen in Israel, Palästina und Jordanien, sprach in einem Interview mit der Online-Redaktion der mitteldeutschen Kirchenzeitungen über sein "Gänsehaut-Gefühl" zur Osterzeit:

Wie begehen Sie als lutherischer Propst die Karwoche?
Wir haben während der ganzen Karwoche jeden Tag Passionsandachten. Zudem feiern wir am Gründonnerstag einen gemeinsamen internationalen Gottesdienst mit unseren arabischen und anderen internatio­nalen Partnern; danach gehen wir in ­einer Prozession zum Garten Gethsemane, kommen spät nach Hause, und haben am Karfreitag ganz früh schon wieder gemeinsam mit den Anglikanern eine Prozession auf der Via Dolorosa. Und dann natürlich den Karfreitagsgottesdienst am Nachmittag um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu.

Wie werden Sie Ostern feiern?
Ostersonntag beginnen wir in aller Frühe mit einem Osternachtsgottesdienst oben auf dem Ölberg im Garten des Archäologischen Instituts mit Blick über die Judäische Wüste nach Osten. Dort stimmen wir dann das große Osterhalleluja an, wenn die Sonne gerade irgendwo über Amman aufgeht. Das ist eine ganz bewegende Erfahrung, gerade für die vielen ­jungen Leute, die Freiwilligen- und Zivildienst hier im Land leisten. Das macht eine Gänsehaut. Nach diesem Osternachtsgottesdienst frühstücken wir miteinander. Gestärkt wandern wir dann in der Gemeinschaft runter in die Altstadt. Hier gibt es abschließend den großen Hauptgottesdienst in der Erlöserkirche. Danach wird erst einmal geschlafen.

Erlebt man hier in der Konfliktregion Nahost die Karwoche und Ostern intensiver als anderswo?
Auf jeden Fall! Schon weil der politische Konflikt eigentlich immer mitschwingt. Ganz exemplarisch ist die Frage der Permits, der Passierscheine, für Christen. Es ist ja so, dass Menschen aus dem Westjordanland, besonders wenn sie zu einer bestimmten Altersgruppe gehören, es grundsätzlich sehr schwer haben, eine Erlaubnis zu bekommen, um auf diese Seite der Sperranlage zu gelangen. Zwar haben die Israelis eigentlich die Regelung, an hohen christlichen Feiertagen sehr freigiebig mit Permits zu sein, aber sie haben auf der anderen Seite ebenso die Regelung, zu den ganz hohen jüdischen Feiertagen, die Kontrollpunkte einfach zuzumachen. Und so kann es dann in der Karwoche und zu Ostern zu der Situation kommen, dass die Christen in Bethlehem zwar alle Passierscheine haben, aber dann trotzdem der Checkpoint zugemacht wird, weil gerade einer der Haupttage von Pessach ist.

Gibt das Fest der Auferstehung auch Hoffnung, dass es jemals zu einer guten Lösung des Konflikts kommt?
Sonst wären wir, glaube ich, nicht Christen. Ich erlebe es ganz oft mit Solidaritätsgruppen: Die kommen so richtig belastet hierher, haben vorher ganz viel studiert und wissen, der Nahostkonflikt ist so schwierig. Und dann haben sie oft so theoretische Überlegungen, die noch mehr Schwere im Raum verbreiten. Und ­dagegen zu erleben, dass die Menschen hier, die es wirklich am allerschwersten haben, am allerfröhlichsten das Osterhalleluja anstimmen können – das ist etwas, was durchaus überspringen sollte.

Samstag, 16. April 2011

Hart an der Grenze

Ein palästinensischer Bekannter nahm uns kürzlich mit auf einen Ausflug zum Toten Meer. Kurz vor dem Checkpoint zu Israel machten wir Halt, ein Freund von ihm hatte erzählt, hier gebe es eine schöne Stelle zum Baden, außerdem Süßwasserbecken um sich hinterher abwaschen zu können. Ratlos standen wir einige Minuten am Straßenrand: Den Checkpoint passieren und ins israelische Gebiet einreisen dürfen Palästinenser nicht, das Auto einfach an einer abgelegenen Stelle parken wollte Ibrahim nicht. Schließlich schickte er zwei von uns harmlosen Europäern vor, die bei den Soldaten nachfragten, wo wir das Auto parken und zum Meer hinabsteigen konnten.

Ein sprudelnder Süßwasserpool speist das Tote Meer

Es lief alles glatt. Am Strand, wo uns niemand sah, überquerten wir die Grenze zu israelischem Gebiet und fanden tatsächlich auch einen guten Platz zum Schwimmen - in salzigem und süßem Wasser. Dort verbrachten wir einen skurillen Tag, links die nackten Hippies, rechts eine Gruppe jugendlicher Halbstarker und wir mittendrin mit Ibrahim, dem es lieber war, sich auf Englisch mit uns zu unterhalten, um niemanden auf die Idee zu bringen, ihm als Palästinenser Probleme zu bescheren.

Hinter uns die nackten Hippies, neben uns die arabischen Jungs

Schlammbad im Toten Meer

Am Ende, als wir gerade losfahren wollte, kam dann doch noch ein Soldat auf uns zu und fragte, ob wir alle zusammen gehören würden. Vielleicht hatte er bemerkt, dass wir uns gegenseitig Scheine zusteckten, um die Fahrtkosten zu teilen. Vielleicht war er auch aufgrund des Fahrers im palästinensischen Wagen mit einer Gruppe von Europäern misstrauisch geworden. Wer weiß schon, was diese Palästinenser immer im Schilde führen.

Freitag, 15. April 2011

Schöne Aussichten

Übrigens wird auch eine Wanderung schnell politisch. Zum Beispiel wenn sich plötzlich Wachtürme, Zäune aus Stacheldraht oder Mauern ins Bild drängen, hinter denen dann diese weißen ordentlichen Häuser mit roten Ziegeldächern auftauchen - Siedlungen, die sich immer weiter ausbreiten und den Palästinensern auf die Pelle rücken.

Schön war unser Ausflug durch das Tal bei Artas von den Teichen Salomos bis fast zum Herodion trotzdem. Die politischen Motive habe ich einfach mal links liegen lassen.

Donnerstag, 14. April 2011

Salatpolitik

Wie Anja bereits zu Beginn ihres Aufenthaltes in Palästina feststellte: Man kann nicht nicht darüber reden, Politik wird hier immer irgendwie zum Thema. Und es sind gar nicht mal die übereifrigen Ausländer, die mehr über Zusammenhänge wissen wollen und deshalb womöglich unangebrachte Fragen stellen würden. Im Gegenteil, die Palästinenser selbst politisieren alles, was irgendwie geht. Sogar ihr Gemüse.

In Artas, einem Dorf in der Nähe von Bethlehem, findet das Salatfestival statt. Tatsächlich sind die Bewohner von Artas stolz auf ihr gutes Gemüse, denn die Salatköpfe sind einfach knackiger als anderswo, wegen des guten Wassers, der besonders reinen Luft und des Verzichts auf Pestizide.

Landwirt Ahmed Ali Saad mit Paliflagge vor seinem Salatbeet

Auf der anderen Seite hat der Salat aber auch - natürlich - eine ganz starke politische Symbolik. Denn Salatköpfe sind wie Palästinenser: Tief verwurzelt in der Erde, hart im Nehmen und standhaft - komme, was da wolle. Darauf muss man erstmal kommen.

Nebenbei ist Salat gesund und schmackhaft. Schon allein deshalb lohnt es sich auch eine zweitägige Salatparty zu feiern mit Musik und Tanz und rollenden Köpfen - aus Salat, versteht sich.

Mittwoch, 13. April 2011

Freiheitskämpfer auf der Bühne

Vor neun Tagen wurde Juliano Mer-Khamis erschossen, Sohn einer jüdischen Mutter und eines christlich-arabischen Vaters, Schauspieler, Friedensaktivist und Gründer des Freedom Theatre in Jenin im Norden des Westjordanlandes. Mit dem Freedom Theatre führte Juliano Mer-Khamis nach ihrem Tod das Projekt seiner Mutter fort, Kinder von der Straße auf die Bühne zu holen um ihre Gefühle, Angst, Wut, Trauer, Enttäuschung, in Kreativität umzuwandeln.

In einer vom Alternative Information Center (AIC) organisierten öffentlichen Diskussion hatte ich die Möglichkeit einige der Schauspieler kennen zu lernen, die zusammen mit Juliano Mer-Khamis gespielt und von ihm gelernt haben. Sie waren traurig, aber gefasst. "Er hat uns darauf vorbereitet", sagte eine Schauspielerin. "Er lehrte uns, dass Kunst immer auch politisch ist und dass es immer Leute gibt, die etwas dagegen haben werden." Der Tod ihres Lehrers, Idols, Ersatzvaters lässt die jungen Schauspieler nicht daran zweifeln, dass es weitergeht im Freedom Theatre. Im Gegenteil: "Jetzt erst recht", so lautet ihre Ansage, von Resignation keine Spur.

Das Gespräch mit den Schauspielern war bewegend und sehr persönlich. Lohnenswert und beeindruckend war außerdem der Film "Arna's Children", der im Anschluss an die Diskussion gezeigt wurde. Darin dokumentierte Juliano Mer-Khamis das Leben seiner Mutter und ihr gemeinsames Lebenswerk. Wer Zeit hat: Unbedingt anschauen!





"Juliano Mer Khamis war eine ungeheuer couragierte, charismatische Gestalt. Ein begabter Schauspieler, der in zahlreichen israelischen Filmen mitspielte. Ein politisch ambitionierter Regisseur, der die Theaterarbeit in Palästina revolutionierte." (Frankfurter Rundschau)

"Mer-Khamis war ein Mensch, der ein klares Ziel hatte. Ein Ziel, das unerreichbar schien, zumindest sehr weit weg: Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Ein Utopist, manche nannten ihn auch einen Spinner." (Welt Online)

"Die Trauer über den Tod des 52-Jährigen ist groß." (tagesschau.de)

Dienstag, 12. April 2011

Vom Glück Jerusalemer zu sein

Der erste Besucher ist bereits in der Nacht abgereist. Es stürmte, im Checkpoint schliefen die Soldaten. Und wieder einmal waren wir auf ihre Gnade angewiesen, die zu fest träumten, um unsere geschrieene Bitte um Durchlass neben dem Pfeifen des Windes sofort zu hören. Eine Viertelstunde liefen wir wie hungrige Tiere auf und ab, in der Hoffnung, eines der drei Tore passieren zu können, bis der Soldat wieder zum Leben erwachte und uns Durchgang gewährte - schlaftrunken zwar, aber freundlich.

Den zweiten Besucher habe ich vor wenigen Stunden auf der anderen Grenzseite, in Jerusalem, zu seinem Flughafen-Bus gebracht. Ungwohnt allein schlenderte ich durch die sonnigen Straßen, bis es Zeit wurde für das Treffen mit einem palästinensischem Journalisten aus Jerusalem. Oder wie er es ausdrücken würde: Einem Jerusalemer.

"Die palästinensischen Journalisten sind faul", empört sich der Journalist, 45 Jahre alt und nach eigenen Worten niemals im Urlaub, sondern immer auch als Journalist unterwegs. Vollblutjournalisten würden nicht auf ihre geleisteten Stunden im Büro achten, auch nicht auf das richtige Gehalt. Richtige Journalisten würden für ihren Beruf - oder besser: ihre Berufung - brennen, sich von niemandem den Mund verbieten lassen.

Aber er lacht zustimmend, als ich einwende, dass es für ihn als Außenstehenden einfach sei, so viel von den palästinensischen Kollegen aus dem Westjordanland zu verlangen: "Ich habe das Glück, in Jerusalem geboren zu sein", gibt er unumwunden zu. Das bedeutet für ihn ein größeres Jobangebot mit besseren Gehältern. Das bedeutet für ihn auch, nicht abhängig zu sein von der palästinensischen Autonomiebehörde, die etwas gegen schlechte PR hat und unliebsame Journalisten mit Drohungen oder Tagen im Gefängnis zum Schweigen bringt. Und es bedeutet für ihn nicht eingesperrt zu sein, sondern die Freiheit zu haben zu reisen, wohin er will.

Oder wie es ein Taxifahrer aus Bethlehem kürzlich anders herum ausdrückte: "Ich war in Frankreich und in Großbritannien, ich war mehrmals in Jordanien - aber ins zehn Kilometer entfernte Jerusalem darf ich nicht einreisen."

Was für ein Glück ist es da, Jerusalemer zu sein.

In Beit Sahour nahe Bethlehem gibt es einen Punkt, von dem aus man an klaren Tagen den Felsendom in Jerusalem sehen kann - die einzige Möglichkeit für viele Palästinenser einen Blick auf das Heiligtum erhaschen zu können

Sonntag, 10. April 2011

Eindrücke aus einer anderen Welt

Es kann so einfach sein, den Konflikt zwischen zwei Bevölkerungsgruppen in diesem Land zu vergessen: Einfach mal ins lebenslustige Telv Aviv reisen, durch die mondänen Alleen schlendern, Häuser im Bauhaus-Stil wie von Le Corbusier bewundern, in Geschäften vorbeischauen, ei Stück Pizza hier, ein Bier dort, später für eine Pause an den Strand gehen, wo Halbwüchsige Shisha rauchen und schlanke Bikini-Mädchen sich in der Sonne räkeln. In Tel Aviv ist der Konflikt weit weg, da gibt es kaputte Drogis oder Flaschensammler, aber keine Probleme mit Palästinensern.

Flanieren wie auf diesem Boulevard gehört offenbar zum Lebenststil in Tel Aviv


Tel Aviv ist unter anderem bekannt für die Bauhaus-Architektur

Einfach mal Pause machen in einem der zahlreichen Straßencafés

Die tauchen erst wieder auf, wenn man das Taxi von Jerusalem nach Bethlehem nimmt und der Taxifahrer, selbst Palästinenser, von den Sorgen seines Volkes spricht: "Die Regierungen kämpfen um Land, das eigentlich niemandem gehört. Und wir zahlen die Steuer dafür, wir zahlen mit unserem Leben."

Back home: Marc und Marco im Niemandsland zwischen Jerusalem und Bethlehem

Samstag, 9. April 2011

Die Bod Tour

der Bod an der Klagemauer


an der Stelle, wo einst die Krippe stand


am Strand von Tel Aviv


und außer Rand und Band

Ein harter Fight

Eigentlich ist das Handeln in Jerusaelm ein harter langer steiniger Weg.

Der Händler nennt dir einen Preis, also sagen wir mal 300 Schekel für Ohringe. Das sind umgerechnet 60 Euro. Darauf erwiederst du, dass du nicht mehr als 50 Schekel zahlen willst. Dann kommt die Frage, woher kommst du, du sagst dann ein Land, darauf der Händler, ach, sehr schönes Land, dann sagt er etwas in deiner Sprache, meistens so etwas wie nicht teuer, oder so. Dann, dass er selber oder das Verwandte schon mal in diesem Land waren. Also, weil er das Land so liebt, kosten die Ohringe nur noch 200 Schekel.

Du aber bleibst bei deinen 50 Schekel, und bewegst dich in Richtung Ausgang, wichtig ist, dass du dabei den Eindruck erwegst als würdest du die Ohringe nicht mehr haben wollen. Dann ruft dich der Händler zurück, denn ist ein Kunde schon mal über die Türschwelle, ist er kein Kunde mehr. Du also gehst zurück in den Laden.

Jetzt guckt er sich deine Freundin hat, lächelt sie an und sagt ihr, dass sie wunderschön ist, was in diesem Fall ja auch zutrifft. Und weil sie so wunderhübsch ist, kosten die Ohringe nur noch 100 Schekel. Jetzt wird man als Kunde aktiv, und bedankt sich für die lieb gemeinten warmen Worte, schwärmt von seinem Land, und dann erhöhst du dein Preis auf 75 Schekel. Letztendlich wird nochmal diskutiert, wie viele Kinder der Händler zu ernähren hat, dass er kein Geschäft macht, und dass gerade sowieso alles schief läuft. Du einigst dich dann mit dem Händler auf eine Summe zwischen 80 und 90 Schekel und alle sind zufrieden.





















So wird eigentlich hier gehandelt, bis der Bod in dieses Land kam.

Bod: Wie teuer ist das ?
Händler: 100 Schekel
Bod: Das ist ja billig, ok.
Ein anderer: Bod, du musst feilschen!
Bod: 80
Händler: 95
Bod: Na gut, egal, was soll's.
Händler: Mit Tüte.

Mittlerweile aber hat sich der Bod an die harten Bedingungen gewöhnt, und handelt schon wie ein ganz Großer. Sein bestes Ergebnis war, sagt er gerade, von 270 auf 60 runter.

Gut gemacht, Bod!

Donnerstag, 7. April 2011

Mittwoch, 6. April 2011

Alena hat Geburtstag




Zu ihrem Geburtstag kamen sie aus Nah und Fern
in die Stadt dicht unter dem Stern.
Aus Deutschland, aus Amerika, aus England und von hier
Freunde, ein Hund, ein Hahn - sogar ein Muezzin gratulierten ihr.
Friede und Freude, Bier und Torte waren von sehr langer Dauer,
man mag es kaum glauben: Partystimmung, hier, unweit der Mauer.

Es war ein Kommen und ein Gehen,
dies muss nicht jeder nun verstehen.
Sie vergaßen dabei Zeit und Raum,
es kam ihnen vor wie im Traum.
Sie feierten das Geburtstagskind,
der nächste Morgen kam geschwind.

Dienstag, 5. April 2011

Vom Paradies direkt nach Hebron

Wo einst Adam und Eva nach ihrem Rauswurf aus dem Paradies ihren Platz gefunden haben, leben auch heute die Menschen unter nicht ganz paradiesischen Umständen.

Direkt neben der Hauptstraße in der Altstadt erheben sich links die Häuser einer jüdischen Siedlung. Gitter schützen die Passanten vor Abfällen und allem anderen, was die Siedler aus dem Fenster werfen könnten

Hebron hat rund 200 000 Einwohner, 500 davon sind jüdische Siedler. Direkt im Stadtzentrum befinden sich fünf israelische Siedlungen, am Stadtrand wurden noch weitere, größere gebaut. So ist Hebron zweigeteilt, 80 Prozent des Stadtbezirks sind unter palästinensischer Kontrolle, 20 Prozent, die Teile der Altstadt und das für Juden wie Muslime wichtige Patriarchengrab einschließen, werden vom israelischen Militär kontrolliert.


Auf dem Weg durch die Stadt trafen wir Jamal, der sich in allen Winkeln Hebrons auskennt und von seinem Leben dort erzählte. Patrouillen durch die Stadt seien an der Tagesordnung, auch zu Hause bekommt Jamal häufiger Besuch von israelischen Soldaten, denn sein Haus steht in der Nähe des Patriarchengrabs, wo Abraham, Sara, Isaak, Rebekka, Jakob und Lea begraben sein sollen.

Hier ist kein Durchkommen mehr, seit Israelis das Ende der Straße verbarrikadierten, um die Siedlung zu schützen, die hinter dem verschlossenen Tor beginnt

Es ist schon eine absurde Situation, in der sich die Einwohner Hebrons befinden: Inmitten des arabischen Gewusels leben offensichtlich ultraorthodoxe Juden, die laut Jamal vom Staat Israel bezahlt werden, damit sie in Hebron die Stellung halten. Geschützt werden sie durch Mauern und Zäune aus Stacheldraht. Eine Straße, die Siedler regelmäßig benutzen, um zur Synagoge zu kommen, wird von Kameras überwacht, auf Wachtürmen und Hausdächern sitzen israelische Scharfschützen.

Das ehemalige arabische Haus rechts wird nun von israelischen Soldaten als Stützpunkt verwendet, um Menschen zu beobachten, die auf der Straße Richtung Siedlung gehen

Mittlerweile ist es in Hebron wohl relativ ruhig geworden, zu Zwischenfällen ist es seit längerer Zeit nicht mehr gekommen. Und wenn man sich das seltsame Gefühl wegdenkt, das einen beschleicht, wenn man die Soldaten patrouillieren sieht, kann man Hebron sogar auch einfach als schöne Stadt genießen: Herrschaftliche Gebäude stehen in der Altstadt, manche wurden schon von der internationalen Gemeinschaft renoviert, in kleinen Gassen sitzen Verkäufer in ihren bunten Länden und bieten Gewürze, Stoffe, Lederwaren an. Immerhin ist Hebron eine der ältesten durchgehend bewohnten Städte der Welt und, wie die Autoren des Reiseführers es so schön beschrieben, das "verborgene Juwel des Westjordanlandes".

In der einen Gebäudehälfte besuchen Muslime die Moschee, die andere Hälfte nutzen Juden als Synagoge - beiden sind die Gräber heilig, in denen Abraham, Isaak, Jakob, Rebekka und Lea liegen sollen

Sonntag, 3. April 2011

Manchmal kriegt man die Wut

Die Frauenfußballmannschaft von Bethlehem hatte heute ein Auswärtsspiel gegen die Spielerinnen aus Jerusalem. Wir fuhren mit, unterm Arm eine Kamera, Kabelsalat und ein Stativ.

Da Palästinenser ohne spezielle Genehmigung nicht nach Jerusalem einreisen dürfen, fand das Spiel in Ar-Ram statt, einem Ort zwischen Ramallah und Jerusalem. Könnte man durch Jerusalem fahren, hätte man die Fahrt von Bethlehem nach Ar-Ram in etwa einer Stunde hinter sich gebracht. Wegen besagter fehlender Genehmigung umfahren Palästinenser aber den Großraum Jerusalem und nehmen den rumpeligen Weg durch die Berge, so brauchen sie dann doppelt so lang.


Die Karte zeigt den Großraum Jerusalem, die rote Linie kennzeichnet die bereits bestehende Mauer. Unten ist Bethlehem, oben Ar-Ram, zwischen den Checkpoints Qalandiya und Jaba'. Die Straße, die von Bethlehem aus direkt nach Norden führt, ist für Palästinenser nicht mehr fahrbar, deshalb geht der Weg östlich entlang der Mauer über den Checkpoint Wadi Nar, vorbei an der lila eingefärbten Siedlung Ma'ale Adummim, die aufgrund ihrer Größe schon zur israelischen Stadt ernannt wurde. Noch steht die Mauer nicht, die laut Plan um Ma'ale Adummim gebaut werden soll. Wenn das geschieht, müssen die Palästinenser einen noch größeren Umweg um die neue israelische Stadt herum machen, die dann ebenfalls zum Großraum Jerusalem gehören wird.


Um uns den steinigen, kurvigen Weg durch die Berge zu ersparen, entschieden wir uns beim Rückweg für die kürzere Variante über Jerusalem. Der Mannschaftsbus setzte uns beim Checkpoint Qalandiya ab, von dort sollte ein Bus nach Jerusalem fahren. Einen Bus fanden wir sofort, doch der Fahrer wiegelte ab, nur alte Menschen dürften über den Checkpoint fahren, alle anderen müssten zu Fuß über die Grenze nach Jerusalem.

Nachdem wir uns von einer bellenden Stimme auf Hebräisch vom Wachturm aus hatten anbrüllen lassen, fanden wir auch den richtigen Grenzübergang für Fußgänger, hilfsbereite Palästinenser wiesen uns den Weg. Der Checkpoint unterschied sich nicht besonders von dem in Bethlehem - Stacheldraht, Kameras, resignierte wartende Menschen. Mir wurde hier wieder einmal bewusst, wie sehr die israelischen Soldaten ihre Macht demonstrieren: Menschen passierten mehrmals die Lichtschranke, zogen Jacken, Gürtel und Schuhe aus, mussten dann trotzdem warten, weil offenbar nur eine bestimmte Anzahl von Personen durch den Checkpoint gehen durfte.

Heute machten die Israelis sogar bei mir, einer Ausländerin, die sonst gelangweilt durchgewunken wird, ihre Sperenzchen. Mein Reisepass schien ihnen nicht in Ordnung zu sein, ich nehme eher an, es lag an der Kamera in meiner Hand. "Where is your ID?", fragte der Soldat. Ich zeigte mit dem Finger auf die Passnummer, er kniff die Augen zusammen. Seine Kollegin machte ein Zeichen, ich solle den Pass durch das Fenster schieben. Die beiden Kollegen schauten gemeinsam in meinen Pass, blätterten darin herum, tippten etwas in ihren Computer. Vielleicht bin ich jetzt als Staatsfeind registriert, passieren durften wir trotzdem - als sich die richtige Anzahl von Personen vor der Drehtür nach draußen befand.

Die Spielerinnen von Bethlehem haben übrigens gegen Jerusalem 5:0 gewonnen. Spannend war das Spiel nicht, der Weg dorthin dafür wieder einmal sehr aufschlussreich.

Samstag, 2. April 2011

Grandpa meets Pickaxe

Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Erst die gute:

Ich habe jetzt endlich einen Praktikumsplatz bei einem ortsansässigen Maurer. Ali Osama Machmut, so heißt mein neuer Chef. Gleich am ersten Tag bekam ich mein zukünftiges Werkzeug für die nächsten 14 Tage, eine Spitzhacke. Am ersten Tag holte mich ein Pick up, beladen mit Olivenbäumen, ab und wir fuhren auf ein Feld bei uns in der Nähe. Während meine Spitzhacke wiederholt in den harten trockenen Boden sauste, hatten meine einheimische Kollegen nur Zeit zum Singen und Fahnen schwingen, irgend etwas machte ich wohl falsch. Später gesellte sich noch ein uralter englischer Professor zu mir. Gemeinsam bildeten wir ein gutes Team. Jetzt weiß ich auch, was Spitzhacke auf Englisch heißt, nämlich: pickaxe. Ich muss wohl der erste deutsche Praktikant hier sein, denn an meinem ersten Tag waren gleich zwei Fernsehteams vor Ort. Aber die interessierten sich mehr für meine singendfahneschwingenden Kollegen, die sich jetzt an meinen frisch eingepflanzten Bäumen zu schaffen machten, denn als die Kamera an war, taten sie so, als hätten sie meine Bäume gepflanzt, solche Poser. Insgesamt blieb ich dennoch sehr zufrieden mit meinem ersten Arbeitstag.



Nun die schlechte Nachricht:

Bevor ich hier arbeiten darf, muss ich vorher für zwei Jahre zur Armee, die palästinensische ist bereits bei mir vorstellig geworden, die haben ein gutes Programm und auch eine Fußballmannschaft, wenn ich das richtig verstanden habe.