Der erste Besucher ist bereits in der Nacht abgereist. Es stürmte, im Checkpoint schliefen die Soldaten. Und wieder einmal waren wir auf ihre Gnade angewiesen, die zu fest träumten, um unsere geschrieene Bitte um Durchlass neben dem Pfeifen des Windes sofort zu hören. Eine Viertelstunde liefen wir wie hungrige Tiere auf und ab, in der Hoffnung, eines der drei Tore passieren zu können, bis der Soldat wieder zum Leben erwachte und uns Durchgang gewährte - schlaftrunken zwar, aber freundlich.
Den zweiten Besucher habe ich vor wenigen Stunden auf der anderen Grenzseite, in Jerusalem, zu seinem Flughafen-Bus gebracht. Ungwohnt allein schlenderte ich durch die sonnigen Straßen, bis es Zeit wurde für das Treffen mit einem palästinensischem Journalisten aus Jerusalem. Oder wie er es ausdrücken würde: Einem Jerusalemer.
"Die palästinensischen Journalisten sind faul", empört sich der Journalist, 45 Jahre alt und nach eigenen Worten niemals im Urlaub, sondern immer auch als Journalist unterwegs. Vollblutjournalisten würden nicht auf ihre geleisteten Stunden im Büro achten, auch nicht auf das richtige Gehalt. Richtige Journalisten würden für ihren Beruf - oder besser: ihre Berufung - brennen, sich von niemandem den Mund verbieten lassen.
Aber er lacht zustimmend, als ich einwende, dass es für ihn als Außenstehenden einfach sei, so viel von den palästinensischen Kollegen aus dem Westjordanland zu verlangen: "Ich habe das Glück, in Jerusalem geboren zu sein", gibt er unumwunden zu. Das bedeutet für ihn ein größeres Jobangebot mit besseren Gehältern. Das bedeutet für ihn auch, nicht abhängig zu sein von der palästinensischen Autonomiebehörde, die etwas gegen schlechte PR hat und unliebsame Journalisten mit Drohungen oder Tagen im Gefängnis zum Schweigen bringt. Und es bedeutet für ihn nicht eingesperrt zu sein, sondern die Freiheit zu haben zu reisen, wohin er will.
Oder wie es ein Taxifahrer aus Bethlehem kürzlich anders herum ausdrückte: "Ich war in Frankreich und in Großbritannien, ich war mehrmals in Jordanien - aber ins zehn Kilometer entfernte Jerusalem darf ich nicht einreisen."
Was für ein Glück ist es da, Jerusalemer zu sein.
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