Drei Kilogramm Teig hat Samar Shahel vorbereitet. Aus der Mischung aus Grieß, Butter und Öl formt sie Kugeln und arbeitet Dattelpaste hinein. Flachgedrückt und mit dem richtigen Muster am Rand stellt das zarte Mürbegebäck später die Dornenkrone Jesu dar, die ihm Soldaten zum Spott vor der Kreuzigung aufsetzten. Auch Plätzchen in Form des mit Essig getränkten Schwamms oder solche, die das Grab Jesu symbolisieren, werden derzeit in vielen palästinensischen Haushalten vorbereitet. Samar hat sich dagegen auf das eine Rezept beschränkt, mehr, sagt sie, werde sowieso nicht gegessen.
Bis Samstag muss alles fertig sein: Samar bereitet Plätzchenteig vor
Neben Weihnachten und dem Fest für die Heilige Barbara, der im Februar mit einer Süßspeise aus Getreide gedacht wird, ist Ostern für die 53-jährige syrisch-orthodoxe Christin eines der wichtigsten Feste. Zusammen mit vielen anderen Menschen wird auch Samar am Heiligen Samstag auf dem Bethlehemer Krippenplatz stehen und warten, bis am frühen Nachmittag das Heilige Feuer aus Jerusalem gebracht wird. „Wir werden Osterlieder singen und das Halleluja anstimmen, das ist immer eine ganz besondere Atmosphäre.“
Die Dornenkrone Jesu: Symbolisches Gebäck aus Mürbeteig für die Osterzeit
In Jerusalem selbst war Samar am Heiligen Samstag erst einmal, vor etwa 30 Jahren. „Ich habe mich dort zu Tode gefürchtet“, erinnert sie sich. Denn gerade wenn die Osterfeste aller Kirchen wie auch in diesem Jahr auf einen Tag zusammenfallen, kann es in der Jerusalemer Grabeskirche schnell gefährlich werden. Dann reicht es, wenn ein Priester an der falschen Stelle steht oder mit seinem Gefolge zu viel Platz einnimmt, und Verantwortliche der unterschiedlichen Kirchen beginnen sich zu streiten und handgreiflich zu werden – und das, wo jeder Winkel des Gotteshauses und der gesamten Jerusalemer Altstadt mit Christen aus aller Welt gefüllt ist.
Dass ihr am Heiligen Samstag der Einlass nach Jerusalem als Palästinenserin aus dem Westjordanland verwehrt wird, nimmt Samar darum gelassen hin. Viel mehr bedauert sie, dass sie am Sonntag, dem Tag, an dem sich Familien traditionell untereinander besuchen, allein mit ihrem Bruder in Bethlehem zurückbleibt, während der andere Teil der Familie sich dieses Jahr in Jerusalem trifft. Dort wohnt die Nichte mit ihrer Familie, deren Haus sie noch nie gesehen hat. „Es ist schon bitter“, so Samar. Zwölf Jahre habe sie in den Vereinigten Staaten verbracht, „ich war in Kalifornien, in New York, auf Hawaii und hier kann ich mich in meinem eigenen Land nicht frei bewegen.“
Auch Saliba Rishmawi wird wütend, wenn er an die Willkür des israelischen Militärs denkt. Als Pastor der evangelisch-lutherischen Hoffnungskirche in Ramallah hat er für seine Gemeinde Reisegenehmigungen nach Jerusalem beantragt, weniger als die Hälfte davon wurden bewilligt. Dass in diesem Jahr auch noch das jüdische Passahfest mit den christlichen Ostertagen zusammenfällt, macht die Situation nicht einfacher. Zwar sollen die Soldaten an christlichen Feiertagen besonders wohlwollend mit Ausreisegenehmigungen für Palästinenser umgehen, jüdische Festtage erfordern auf der anderen Seite aber ein noch höheres Maß an Sicherheit und strengere Kontrollen. So kann es passieren, dass palästinensische Christen aus dem Westjordanland zwar eine Einreiseerlaubnis für Jerusalem bekommen, der Checkpoint am Ende aber trotzdem geschlossen bleibt. „Jeder Christ würde alles tun, um diesen Tag in Jerusalem zu verbringen. Wer gibt ihnen das Recht, Juden zur Klagemauer in Jerusalem gehen zu lassen, aber uns Palästinensern nicht zu erlauben, die christlichen Stätten zu besuchen?“, so Rishmawi.
Der Tradition folgend und aus Freundschaft zu den katholischen und orthodoxen Kirchen, mit denen er in Ramallah eng zusammenarbeitet, wird auch Saliba Rishmawi zusammen mit seiner Gemeinde am Samstag auf das Heilige Feuer warten. „Es ist zwar nicht unsere Tradition“, gibt der lutherische Pastor zu. „Aber irgendetwas passiert dort in der Kirche und es ist egal, ob es ihr Glaube oder auch nur eine Tradition ist: Wir als Lutheraner haben kein Problem damit, diesen Glauben an das Feuer zu teilen. Jesus lebt, er ist auferstanden, also können wir auch getrost an das Wunder des Heiligen Feuers glauben.“
Bis zum Ostersonntag wird sich die Hoffnungskirche in Ramallah zudem weiter mit Blumen füllen. Eine seltene Lilienart pflückt der Pastor von seinem eigenen Land. „Diese Osterblumen sind sehr selten und sie blühen nur zwei Wochen lang.“ Überall in der Kirche, auf dem Altar, am Kreuz werden unterschiedlichste Frühlingsblumen am Ostersonntag an die Auferstehung Christi erinnern. „Später lade ich die gesamte Gemeinde zu mir nach Hause ein“, so Rishmawi. Dort werden dann gefärbte Eier verteilt, Süßigkeiten und Kaffee.
Die Freude an dem Osterfest kann den Palästinensern so schnell niemand nehmen, die Vorbereitungen lenken zudem von aller Frustration ab. Stühle muss Pastor Rishmawi noch besorgen, damit sich auch alle bei ihm im Wohnzimmer niederlassen können. Außerdem wartet er auf den Maler, der die Wände von vereinzelten Schimmelflecken befreien soll. Auch Samar hat noch einen Hausputz vor sich. Der Boden, die Wände, die Fenster, die Bilder – alles muss blitzblank sein, schließlich wird am Wochenende Jesus, der Auferstandene, in Empfang genommen.
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