Sonntag, 24. April 2011

Ostersonntag: Singen bei Sonnenaufgang

Der Tag beginnt früh. Während die anderen noch schlafen, schleiche ich mich um halb vier mit Daniel davon, wir wollen ja nicht den Sonnenaufgang in Jerusalem verpassen. Auf dem Ölberg trifft sich die Gemeinde der deutschen evangelisch-lutherischen Erlöserkirche, um dort mit dem Sonnenaufgang Ostern herbeizusingen. Wir sind gut in der Zeit und machen deshalb einen kleinen Umweg, um die streunenden Hunde, die sich bei unserer Ankunft knurrend zusammentun, nicht unnötig zu provozieren.


Vor dem Checkpoint fällt mir dann auf: Ich habe meinen Pass vergessen. "That's a problem", sagt der Soldat. Aber er lässt uns wenigstens ins Niemandsland zwischen den zwei Kontrollpunkten, damit wir dort auf unsere Freunde warten können, die den Pass freundlicherweise mitbringen werden. Kaum haben wir uns niedergelassen, kommen zwei weitere Soldaten.


"What are you doing here?"
"We're waiting for my friends to bring my passport."
"Where are your friends?"
"Behind the wall."
"Where is your passport?"
"I left it in the house."
"Why?"


Und immer so weiter. Am Ende lassen sie uns in Ruhe. Man muss sie ja auch verstehen: Da heute ein wichtiger Tag des jüdischen Pessachfestes ist, sind sie dazu angehalten besonders streng zu kontrollieren und zwei plaudernde Touristen, die morgens um vier Uhr am Checkpoint sitzen, können da schon mal Misstrauen erwecken.


Der Blick auf Jerusalem in der Morgendämmerung

Pünktlich vor Beginn der Dämmerung kommen wir schließlich auf dem Ölberg an. Der Gottesdienst der evangelischen Gemeinde unter freiem Himmel ist weitaus bescheidener als der Trubel, der gestern ums Heilige Feuer veranstaltet wurde. An Heiligkeit fehlt es ihm dafür ebenso wenig, der Singsang der Liturgin, die die Ostergeschichte und vieles andere vorträgt, ist mir schon fast ein bisschen zu heilig, hier hätte ich mir freudige Osterlieder gewünscht, um das erste Licht des Tages zu begrüßen. Aber man kann nicht alles haben. Und die Atmosphäre ist schon eine besondere, als wir, alle mit einer Osterkerze in der Hand, der Sonne entgegensehen, die langsam hinter den Bergen von Jordanien emporsteigt. Unsere eigenen Osterlieder singen wir dann einfach später allein.


Sonnenaufgang auf dem Ölberg

Nach einem Morgenspaziergang in die Jerusalemer Altstadt wartet schließlich ein Osterfrühstück in der Erlöserkirche auf uns, so ganz deutsch mit echtem Schinken, wie extra betont wird. Gekochte Eier, Hefezopf, ein Osterkanon - alles dabei. Am Ende treffe ich sogar noch ein bekanntes Gesicht aus Deutschland: Die Kusine eines Freundes, die ich bei dessen Hochzeit kennen gelernt habe, ist mit ihrer Familie gerade bei den Schwiegereltern zu Besuch, der Schwiegervater leitet die deutsche Schule in Beit Jala. So klein ist die Welt.


Juden feiern mit Musik und Tanz vor den Mauern der Jerusalemer Altstadt

Zurück in Bethlehem bringt mich eine Familie im Auto nach Hause. Frida, Mutter und Ehefrau, erzählt ein bisschen aufgeregt davon, dass sie eine Einreisegenehmigung nach Jerusalem bekommen haben. So war es ihnen möglich, die Messe in der katholischen Kirche zu besuchen. Von ihr lerne ich dann noch den arabischen Ostergruß:


"Messiah qam. Haqiqa qam."

"Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden."

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