Es geht dem Ende zu, nicht mehr lang und ich stehe am Berliner Flughafen, wo ich vor fast genau zwei Monaten aufgeregt meine beiden Flugtickets vorzeigte (ohne Rückflugticket keine Ausreise nach Israel) und mich schon mal vor den Israelis in Tel Aviv fürchtete - in einer ähnlichen Situation befinde ich mich jetzt.
Zusammengefasst kann ich sagen: Es war schön. Oft werde ich gefragt, ob ich wiederkomme, darauf antworte ich dann mit einem ja, vielleicht, warum nicht? Aber zuerst einmal werde ich nach Hause zurückkommen, denn vieles wartet, worauf ich mich freue.
Zum Beispiel...
... die Freiheit, das anzuziehen, was ich möchte. Auch bei 37 Grad lange Hose und langärmliges Oberteil tragen und trotzdem noch das Gefühl zu haben, unpassend gekleidet zu sein, weil Frauen grundsätzlich in Highheels durch die Gegend stöckeln und FlipFlops mit einem langen, missbilligenden Blick bedacht werden, macht auf Dauer keinen Spaß.
... das gute Gefühl, unbehelligt durch die Straße schlendern zu können, ohne dass gehupt oder gepfiffen wird, ohne dass jemand stehen bleibt und "Oh my God, you are beautiful" sagt, ohne dass Autofahrer gaaaanz langsam vorbeifahren und einen von oben bis unten beäugen. Das Ärgerliche ist: Das alles passiert nur Ausländerinnen, egal wie gammelig der Look, egal wie züchtig gesenkt der Blick.
... das Wiedersehen mit Freunden und Familie, eine Hochzeitsfeier und die Vorbereitung einer weiteren.
... Bauernbrot mit Butter, lang nicht mehr gehabt. Pita ist super, aber auf Dauer doch irgendwie eintönig.
... mein Fahrrad. Jeden Tag laufe ich mehrere Kilometer, schon der Arbeitsplatz ist zu Fuß etwa eine halbe Stunde entfernt. Noch dazu liegt Bethlehem auf einem Berg, überall wo's runtergeht, muss man auch wieder hoch.
... Milchkaffee. Habe ich ganz am Anfang versucht zu ordern, als der Gastgeber eine Runde Kaffee ausschenken wollte, ist aber ein Tabu. Araber trinken arabischen Kaffee, tiefschwarz, gesüßt, manchmal auch mit Kardamon verfeinert. Kriegt man auch irgendwie runter, ist aber für mein Empfinden weit entfernt vom Genuss eines leckeren Milchkaffees.
In Palästina zurücklassen werde ich...
...eine gemütliche WG mit Platz zum Kochen, Plaudern und der Möglichkeit sich zurückzuziehen.
...meine Turnschuhe. Sechs Jahre lang waren sie treue Weggenossen, aber irgendwann muss man sich doch voneinander trennen. Vor allem, wenn der Platz im Rucksack begrenzt ist.
...mein selbst geschriebenes Wörterbuch mit mehr als hundert neuen Wörtern. Fiel versehentlich aus dem Fenster und wurde im gleichen Augenblick vom Wind oder ein paar Kindern davon getragen. Sehr schade drum, aber ein paar der Wörter sind immerhin schon in meinem Gedächtnis.
Und mitnehmen werde ich...
...das Rezept für Dornenkronen aus Mürbeteig, wird nächstes Jahr zu Ostern ausprobiert, außerdem die Idee für Zitronenlimonade mit Minze. Sehr lecker.
...das gute Gefühl, zwei schöne, erlebnisreiche Monate verbracht zu haben in einem Land, vor dem man keine Angst zu haben braucht. Sicher, es ist Schlimmes passiert: Eine Bombe ist in Jerusalem explodiert, zwei Menschen und eine ganze Familie wurden ermordert. Aber das sind schreckliche Dinge, die wirklich niemand verstehen oder nachvollziehen kann. Ausnahmslos alle Palästinenser, mit denen ich darüber sprach, verurteilten die Morde, den Bombenanschlag in Jerusalem und die Gewalt in und von Gaza.
...hoffentlich ein bisschen von der Gelassenheit, die hier an den Tag gelegt wird, denn wie gesagt: As-sabr jamil, Geduld ist schön. Ein Tee geht immer, Pläne braucht man nicht, denn nur Gott allein weiß, was geschehen wird und am Ende klappt doch alles und fügt sich zum Guten. Habe ich selbst oft erlebt und oft erleichtert festgestellt.
Ich freue mich!
AntwortenLöschenHabe hier immer gerne mitgelesen. Vielen Dank für die tollen Blog-Einträge!
AntwortenLöschenUwe Gräbe, Propst an der Erlöserkirche
http://www.evangelisch-in-jerusalem.org/Gemeinde/gemeinde.php?num=200&kat=200&