Donnerstag, 29. September 2011

Und ruckzuck bist du in Polen

Bedingt durch mein Studium habe ich in den letzten zwei Jahren auch einige Zeit in Frankfurt verbracht, einer Stadt, die nicht zuletzt von mir vielleicht unterschätzt wird. Und um auch mir selbst zu beweisen, dass Frankfurt mehr ist als Uni und Bahnhof, möchte ich dieser Kleinstadt im Osten Deutschlands auf unserem internationalen Blog einige Zeilen widmen.


Frankfurt, und damit meine ich nicht das mit der Börse am Main, sondern eben das andere, weitaus kleinere, liegt nicht nur ein bisschen am Ende der Welt, sondern gleichzeitig auch am Beginn einer neuen – namens Polen. Nur ein paar Schritte über die Brücke, die die Oder überspannt, und man steht auf polnischem Boden, was meinen damals sechsjährigen Neffen nach seinem ersten Besuch im Nachbarland schlussfolgern ließ: „Ach so, überall wo man über eine Brücke geht, ist man danach in einem anderen Land.“


So einfach ist es aber dann doch nicht. Denn bis man überhaupt erst Frankfurt an der Oder erreicht, dauert es ja von Wohnort zu Wohnort länger oder kürzer. Vom Berliner Alexanderplatz sollte man mit der Bahn zum Beispiel einen Reiseweg von einer Stunde einrechnen, aber auch der ist variabel, denn „Verzögerungen im Betriebsablauf“, „Bauarbeiten“ oder auch „witterungsbedingte“ Gründe können dazu führen, dass die Reise mit der Bahn am Ende doch etwas länger wird als vermutet. (Wer sich übrigens unsicher ist, ob der Zug Frankfurt schon erreicht oder gar passiert hat, kann sich auf Folgendes verlassen: Kurz vor Frankfurt wird die automatische Zugansage auch auf Polnisch gesprochen. Und: Die Zugbegleitung wechselt möglicherweise vom Hochdeutschen ins Brandenburgische, indem sie vorschlägt um „ölf Uhr ölf“ den Anschlusszug „auf Gleis ölf“ zu nehmen. Das Interessante dabei: Außer mir scheint das keiner der Passagiere komisch zu finden.)


Und bevor es losgeht mit den Sehenswürdigkeiten Frankfurts, wird erst noch ein ganz kleines bisschen auch über die Stadt gesungen:



Montag, 26. September 2011

Neues aus Al Walaja

Mehr als sieben Monate nach unserem Besuch in Al Walaja hat sich die deutsche Redaktion von PNN nun noch einmal ein Bild von der Lage gemacht. Viel hat sich seither nicht verändert, allein: die Mauer wächst.


Mittwoch, 27. April 2011

Auf geht's, ab gehts, zwei Tage wach

Zwischenstation München, 9.30 Uhr, Regen, neun Grad Außentemperatur. Aber ich bin in Deutschland und der Weg dorthin war gar nicht so steinig, wie ich befürchtet habe.


Tel Aviv, 2.45 Uhr, kein Regen, draußen ist es wärmer als neun Grad, jedenfalls ist mir wärmer mit meinem Schal, den beiden Jacken und dem Rucksack auf dem Rücken. Mein Handgepäck lasse ich eine Sekunde aus den Augen, um einen Gepäckwagen zu holen, schon fragt eine besorgte Mitreisende aus dem Serviceteaxi, wem das Gepäck gehöre. Aber keine Bange, ich bin ja da.


Der Flughafen ist übervoll. Nach Marcs Erzählungen habe ich mir so etwas wie einen gähnend leeren Flughafen vorgestellt, an dem Schwerverbrecher und Leute, die im Westjordanland waren, sofort erkannt und eingesackt werden. Das ist bei mir nicht der Fall, ich folge der Masse und warte wie alle anderen auch vor der ersten Sicherheitsüberprüfung.


Eine Sicherheitsbeamtin kommt vorbei, die üblichen Fragen, wo bist du gewesen, warum warst du hier (bei dieser kurzen Befragung erspare ich uns beiden die Details) und als sie den syrischen Stempel entdeckt, wird ein anderer Kollege gebeten, sich um mich zu kümmern. Auch er ist so freundlich, wie Israelis es sein können, stellt dieselben Fragen, was ich in Syrien gemacht habe, mit wem ich unterwegs gewesen bin, ob ich ihm bitte den Namen meines Verlobten nennen könne, aha, ein Deutscher also, na dann, weiter warten. Die Nummer, die er mir aufdrückt, ist die Fünf, die bekommen offenbar alle, die irgendwie weiter überprüft werden müssen. Das sind allein reisende Frauen wie ich, zwei Kumpels, die wirklich nicht so aussehen, als wären sie irgendwo in der Wildnis (zum Beispiel in der Nähe von Itamar, soll's alles schon gegeben haben) zelten gewesen, auch ein junges Paar – der Mann lächelt die ganze Zeit und trägt eine Leinenhose, da muss man ja misstrauisch werden.


Ich stehe also mit einem Haufen anderer zusammen, die alle wie ich nach München wollen und die keine Lust mehr aufs Warten haben. Denn es dauert lang, wenn jedes Gepäckstück vor den Augen aller ausgeräumt und nach explosivem Material untersucht wird. Neben mir werden Babywindeln und Schuhe mit Strasssteinchen ausgepackt, im Gegenzug zeige ich meinen neuen Duschvorhang vor und eine Karte, auf der detailliert Checkpoints, Siedlungen und Straßenblockaden im Westjordanland und in Gaza aufgezeichnet sind – ist der Flughafenbeamtin aber alles Wurscht, sie will nur möglichst viel auspacken, stellt keine Fragen, sondern wischt mit ihrem mysteriösen Sprengstofffinder in meinen Sachen herum. Hinterher bietet sie sogar an, mir beim Einpacken zu helfen und bringt mich zum Check-In. Ich bin verwirrt von so viel Höflichkeit.


Nach dem Check-In wartet nur noch die Kontrolle des Handgepäcks. Ein Thai vor mir hat seine Saftsammlung eingepackt, darf er nicht, klar. Bei mir stutzt der Beamte kurz bei der Dattelpaste, die mir Samar für die Osterkekse geschenkt hat. Ich darf sie behalten, aber er muss ein Loch durch die Verpackung stechen, kauf ich mir halt nächstes Jahr neue Paste, wenn die alte jetzt in ihrer löcherigen Verpackung anfängt zu schimmeln.


Ich bin selbst überrascht, aber das war's. Keine Extrabehandlung, nicht mal der Ansatz einer Befragung wie sie bei der Einreise durchgeführt wurde. Alles Routine, ich bin ein kleines Licht unter vielen – umso besser. Das einzig Unangenehme, das andere vielleicht nicht hatten, war mein blockierter Gepäckwagen, der nur nach links fahren wollte und ein blöder Franzose, der sich frech vorgedrängt hat und nach meinem Kommentar, das sei nicht sehr höflich, wo doch alle hier lang warten müssen, auch noch aggressiv wurde.


Fazit: Es mag manchmal so sein, dass der Abflug aus Israel schwieriger ist als ins Land einzureisen – bei mir war das nicht der Fall. Aber wenn ich das nächste Mal nach Israel reisen sollte, nehme ich vielleicht einen Koffer mit. Den kann man leichter ein- und auspacken.

Montag, 25. April 2011

Khalas Habibi, der Abflug naht

Es geht dem Ende zu, nicht mehr lang und ich stehe am Berliner Flughafen, wo ich vor fast genau zwei Monaten aufgeregt meine beiden Flugtickets vorzeigte (ohne Rückflugticket keine Ausreise nach Israel) und mich schon mal vor den Israelis in Tel Aviv fürchtete - in einer ähnlichen Situation befinde ich mich jetzt.


Zusammengefasst kann ich sagen: Es war schön. Oft werde ich gefragt, ob ich wiederkomme, darauf antworte ich dann mit einem ja, vielleicht, warum nicht? Aber zuerst einmal werde ich nach Hause zurückkommen, denn vieles wartet, worauf ich mich freue.


Zum Beispiel...

... die Freiheit, das anzuziehen, was ich möchte. Auch bei 37 Grad lange Hose und langärmliges Oberteil tragen und trotzdem noch das Gefühl zu haben, unpassend gekleidet zu sein, weil Frauen grundsätzlich in Highheels durch die Gegend stöckeln und FlipFlops mit einem langen, missbilligenden Blick bedacht werden, macht auf Dauer keinen Spaß.

... das gute Gefühl, unbehelligt durch die Straße schlendern zu können, ohne dass gehupt oder gepfiffen wird, ohne dass jemand stehen bleibt und "Oh my God, you are beautiful" sagt, ohne dass Autofahrer gaaaanz langsam vorbeifahren und einen von oben bis unten beäugen. Das Ärgerliche ist: Das alles passiert nur Ausländerinnen, egal wie gammelig der Look, egal wie züchtig gesenkt der Blick.

... das Wiedersehen mit Freunden und Familie, eine Hochzeitsfeier und die Vorbereitung einer weiteren.

... Bauernbrot mit Butter, lang nicht mehr gehabt. Pita ist super, aber auf Dauer doch irgendwie eintönig.

... mein Fahrrad. Jeden Tag laufe ich mehrere Kilometer, schon der Arbeitsplatz ist zu Fuß etwa eine halbe Stunde entfernt. Noch dazu liegt Bethlehem auf einem Berg, überall wo's runtergeht, muss man auch wieder hoch.

... Milchkaffee. Habe ich ganz am Anfang versucht zu ordern, als der Gastgeber eine Runde Kaffee ausschenken wollte, ist aber ein Tabu. Araber trinken arabischen Kaffee, tiefschwarz, gesüßt, manchmal auch mit Kardamon verfeinert. Kriegt man auch irgendwie runter, ist aber für mein Empfinden weit entfernt vom Genuss eines leckeren Milchkaffees.


In Palästina zurücklassen werde ich...

...eine gemütliche WG mit Platz zum Kochen, Plaudern und der Möglichkeit sich zurückzuziehen.

...meine Turnschuhe. Sechs Jahre lang waren sie treue Weggenossen, aber irgendwann muss man sich doch voneinander trennen. Vor allem, wenn der Platz im Rucksack begrenzt ist.

...mein selbst geschriebenes Wörterbuch mit mehr als hundert neuen Wörtern. Fiel versehentlich aus dem Fenster und wurde im gleichen Augenblick vom Wind oder ein paar Kindern davon getragen. Sehr schade drum, aber ein paar der Wörter sind immerhin schon in meinem Gedächtnis.


Und mitnehmen werde ich...

...das Rezept für Dornenkronen aus Mürbeteig, wird nächstes Jahr zu Ostern ausprobiert, außerdem die Idee für Zitronenlimonade mit Minze. Sehr lecker.

...das gute Gefühl, zwei schöne, erlebnisreiche Monate verbracht zu haben in einem Land, vor dem man keine Angst zu haben braucht. Sicher, es ist Schlimmes passiert: Eine Bombe ist in Jerusalem explodiert, zwei Menschen und eine ganze Familie wurden ermordert. Aber das sind schreckliche Dinge, die wirklich niemand verstehen oder nachvollziehen kann. Ausnahmslos alle Palästinenser, mit denen ich darüber sprach, verurteilten die Morde, den Bombenanschlag in Jerusalem und die Gewalt in und von Gaza.

...hoffentlich ein bisschen von der Gelassenheit, die hier an den Tag gelegt wird, denn wie gesagt: As-sabr jamil, Geduld ist schön. Ein Tee geht immer, Pläne braucht man nicht, denn nur Gott allein weiß, was geschehen wird und am Ende klappt doch alles und fügt sich zum Guten. Habe ich selbst oft erlebt und oft erleichtert festgestellt.

Sonntag, 24. April 2011

Ostersonntag: Singen bei Sonnenaufgang

Der Tag beginnt früh. Während die anderen noch schlafen, schleiche ich mich um halb vier mit Daniel davon, wir wollen ja nicht den Sonnenaufgang in Jerusalem verpassen. Auf dem Ölberg trifft sich die Gemeinde der deutschen evangelisch-lutherischen Erlöserkirche, um dort mit dem Sonnenaufgang Ostern herbeizusingen. Wir sind gut in der Zeit und machen deshalb einen kleinen Umweg, um die streunenden Hunde, die sich bei unserer Ankunft knurrend zusammentun, nicht unnötig zu provozieren.


Vor dem Checkpoint fällt mir dann auf: Ich habe meinen Pass vergessen. "That's a problem", sagt der Soldat. Aber er lässt uns wenigstens ins Niemandsland zwischen den zwei Kontrollpunkten, damit wir dort auf unsere Freunde warten können, die den Pass freundlicherweise mitbringen werden. Kaum haben wir uns niedergelassen, kommen zwei weitere Soldaten.


"What are you doing here?"
"We're waiting for my friends to bring my passport."
"Where are your friends?"
"Behind the wall."
"Where is your passport?"
"I left it in the house."
"Why?"


Und immer so weiter. Am Ende lassen sie uns in Ruhe. Man muss sie ja auch verstehen: Da heute ein wichtiger Tag des jüdischen Pessachfestes ist, sind sie dazu angehalten besonders streng zu kontrollieren und zwei plaudernde Touristen, die morgens um vier Uhr am Checkpoint sitzen, können da schon mal Misstrauen erwecken.


Der Blick auf Jerusalem in der Morgendämmerung

Pünktlich vor Beginn der Dämmerung kommen wir schließlich auf dem Ölberg an. Der Gottesdienst der evangelischen Gemeinde unter freiem Himmel ist weitaus bescheidener als der Trubel, der gestern ums Heilige Feuer veranstaltet wurde. An Heiligkeit fehlt es ihm dafür ebenso wenig, der Singsang der Liturgin, die die Ostergeschichte und vieles andere vorträgt, ist mir schon fast ein bisschen zu heilig, hier hätte ich mir freudige Osterlieder gewünscht, um das erste Licht des Tages zu begrüßen. Aber man kann nicht alles haben. Und die Atmosphäre ist schon eine besondere, als wir, alle mit einer Osterkerze in der Hand, der Sonne entgegensehen, die langsam hinter den Bergen von Jordanien emporsteigt. Unsere eigenen Osterlieder singen wir dann einfach später allein.


Sonnenaufgang auf dem Ölberg

Nach einem Morgenspaziergang in die Jerusalemer Altstadt wartet schließlich ein Osterfrühstück in der Erlöserkirche auf uns, so ganz deutsch mit echtem Schinken, wie extra betont wird. Gekochte Eier, Hefezopf, ein Osterkanon - alles dabei. Am Ende treffe ich sogar noch ein bekanntes Gesicht aus Deutschland: Die Kusine eines Freundes, die ich bei dessen Hochzeit kennen gelernt habe, ist mit ihrer Familie gerade bei den Schwiegereltern zu Besuch, der Schwiegervater leitet die deutsche Schule in Beit Jala. So klein ist die Welt.


Juden feiern mit Musik und Tanz vor den Mauern der Jerusalemer Altstadt

Zurück in Bethlehem bringt mich eine Familie im Auto nach Hause. Frida, Mutter und Ehefrau, erzählt ein bisschen aufgeregt davon, dass sie eine Einreisegenehmigung nach Jerusalem bekommen haben. So war es ihnen möglich, die Messe in der katholischen Kirche zu besuchen. Von ihr lerne ich dann noch den arabischen Ostergruß:


"Messiah qam. Haqiqa qam."

"Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden."

Samstag, 23. April 2011

Orthodoxe Ostern: Das Heilige Feuer

Jedes Jahr an Karsamstag geschieht in Jerusalem das Wunder des Heiligen Feuers. In der Grabeskapelle in der Grabeskirche entzündet sich um die Mittagszeit eine Kerze in der Hand des orthodoxen Patriarchen - offenbar ganz von selbst und ohne jegliches Fremdeinwirken. Diese Flamme wird dann in der Kirche vom Priester nach Verlassen des Grabes an die Gläubigen weitergereicht. Alle palästinensischen Christen, die zu der Zeit nicht in Jerusalem sind, warten auf die Priester und Pfadfindergruppen, die das Feuer weitertragen in die unterschiedlichen Städte.

Die Dokumentation "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" gibt hier einen schönen Einblick ins Leben der Grabeskirche und wie die unterschiedlichen Konfessionen dort miteinander auskommen - oder eben auch nicht:


Da die Jerusalemer Altstadt und vor allem die Grabeskirche wahrscheinlich auch heute prall gefüllt war und es möglicherweise auch nicht ganz ohne Stress und Gewalt ging, haben wir uns gleich für einen anderen Standort entschieden und uns in Beit Jala, Bethlehems Nachbarstadt, positioniert.

In der Kleinstadt herrscht fast Volksfeststimmung, alle haben sich herausgeputzt, Jungs in schwarzen Anzügen und mit einer Extraportion Gel in den Haaren, Mädchen auf Highheels und in extrakurzen Kleidern.

Schaulaufen: Die Mädels stöckeln, die Jungs starren

Wir warten eine Weile, besorgen uns Kerzen und stehen lange herum, bis die eigentliche Prozession beginnt: Unterschiedliche Pfadfindergruppen ziehen trommelnd und Dudelsack spielend vorbei, Fahnen und Säbel werden geschwenkt.

Gruppe für Gruppe zieht vorbei, alle nach ihrem March durch Bethlehem schon ein bisschen erschöpft

Die ganze Party ist aber nur das Vorgeplänkel für das wahre wichtige Ereignis des Tages: Die Weitergabe des Heiligen Feuers, das den Weg von Jerusalem zu uns gekommen ist.

Das Feuer ist da - eingehüllt in eine Weihrauchwolke bahnt sich der Priester seinen Weg durch die Menge

In der Kirche Santa Maria drängen sich die Menschen, Kerze für Kerze wird erleuchtet, die Leute beginnen zu singen, streichen mit den Fingern über die Flammen und dann über ihr Gesicht. Der Priester verspritzt Weihwasser, wieder wird gesungen, dann geklatscht - eine wahrhaft heilige und sehr erhabene Atmosphäre.

Freitag, 22. April 2011

Ostervorbereitungen

Drei Kilogramm Teig hat Samar Shahel vorbereitet. Aus der Mischung aus Grieß, Butter und Öl formt sie Kugeln und arbeitet Dattelpaste hinein. Flachgedrückt und mit dem richtigen Muster am Rand stellt das zarte Mürbegebäck später die Dornenkrone Jesu dar, die ihm Soldaten zum Spott vor der Kreuzigung aufsetzten. Auch Plätzchen in Form des mit Essig getränkten Schwamms oder solche, die das Grab Jesu symbolisieren, werden derzeit in vielen palästinensischen Haushalten vorbereitet. Samar hat sich dagegen auf das eine Rezept beschränkt, mehr, sagt sie, werde sowieso nicht gegessen.


Bis Samstag muss alles fertig sein: Samar bereitet Plätzchenteig vor


Neben Weihnachten und dem Fest für die Heilige Barbara, der im Februar mit einer Süßspeise aus Getreide gedacht wird, ist Ostern für die 53-jährige syrisch-orthodoxe Christin eines der wichtigsten Feste. Zusammen mit vielen anderen Menschen wird auch Samar am Heiligen Samstag auf dem Bethlehemer Krippenplatz stehen und warten, bis am frühen Nachmittag das Heilige Feuer aus Jerusalem gebracht wird. „Wir werden Osterlieder singen und das Halleluja anstimmen, das ist immer eine ganz besondere Atmosphäre.“


Die Dornenkrone Jesu: Symbolisches Gebäck aus Mürbeteig für die Osterzeit


In Jerusalem selbst war Samar am Heiligen Samstag erst einmal, vor etwa 30 Jahren. „Ich habe mich dort zu Tode gefürchtet“, erinnert sie sich. Denn gerade wenn die Osterfeste aller Kirchen wie auch in diesem Jahr auf einen Tag zusammenfallen, kann es in der Jerusalemer Grabeskirche schnell gefährlich werden. Dann reicht es, wenn ein Priester an der falschen Stelle steht oder mit seinem Gefolge zu viel Platz einnimmt, und Verantwortliche der unterschiedlichen Kirchen beginnen sich zu streiten und handgreiflich zu werden – und das, wo jeder Winkel des Gotteshauses und der gesamten Jerusalemer Altstadt mit Christen aus aller Welt gefüllt ist.


Dass ihr am Heiligen Samstag der Einlass nach Jerusalem als Palästinenserin aus dem Westjordanland verwehrt wird, nimmt Samar darum gelassen hin. Viel mehr bedauert sie, dass sie am Sonntag, dem Tag, an dem sich Familien traditionell untereinander besuchen, allein mit ihrem Bruder in Bethlehem zurückbleibt, während der andere Teil der Familie sich dieses Jahr in Jerusalem trifft. Dort wohnt die Nichte mit ihrer Familie, deren Haus sie noch nie gesehen hat. „Es ist schon bitter“, so Samar. Zwölf Jahre habe sie in den Vereinigten Staaten verbracht, „ich war in Kalifornien, in New York, auf Hawaii und hier kann ich mich in meinem eigenen Land nicht frei bewegen.“


Saliba Rishmawi setzt sich für die Ökumene und interreligiöse Dialoge ein, die Willkür des israelischen Militärs macht ihn trotzdem wütend

Auch Saliba Rishmawi wird wütend, wenn er an die Willkür des israelischen Militärs denkt. Als Pastor der evangelisch-lutherischen Hoffnungskirche in Ramallah hat er für seine Gemeinde Reisegenehmigungen nach Jerusalem beantragt, weniger als die Hälfte davon wurden bewilligt. Dass in diesem Jahr auch noch das jüdische Passahfest mit den christlichen Ostertagen zusammenfällt, macht die Situation nicht einfacher. Zwar sollen die Soldaten an christlichen Feiertagen besonders wohlwollend mit Ausreisegenehmigungen für Palästinenser umgehen, jüdische Festtage erfordern auf der anderen Seite aber ein noch höheres Maß an Sicherheit und strengere Kontrollen. So kann es passieren, dass palästinensische Christen aus dem Westjordanland zwar eine Einreiseerlaubnis für Jerusalem bekommen, der Checkpoint am Ende aber trotzdem geschlossen bleibt. „Jeder Christ würde alles tun, um diesen Tag in Jerusalem zu verbringen. Wer gibt ihnen das Recht, Juden zur Klagemauer in Jerusalem gehen zu lassen, aber uns Palästinensern nicht zu erlauben, die christlichen Stätten zu besuchen?“, so Rishmawi.


Der Tradition folgend und aus Freundschaft zu den katholischen und orthodoxen Kirchen, mit denen er in Ramallah eng zusammenarbeitet, wird auch Saliba Rishmawi zusammen mit seiner Gemeinde am Samstag auf das Heilige Feuer warten. „Es ist zwar nicht unsere Tradition“, gibt der lutherische Pastor zu. „Aber irgendetwas passiert dort in der Kirche und es ist egal, ob es ihr Glaube oder auch nur eine Tradition ist: Wir als Lutheraner haben kein Problem damit, diesen Glauben an das Feuer zu teilen. Jesus lebt, er ist auferstanden, also können wir auch getrost an das Wunder des Heiligen Feuers glauben.“



Am Ostersonntag ist die Kirche mit allen möglichen Osterblumen wie diesen speziellen Lilien geschmückt

Bis zum Ostersonntag wird sich die Hoffnungskirche in Ramallah zudem weiter mit Blumen füllen. Eine seltene Lilienart pflückt der Pastor von seinem eigenen Land. „Diese Osterblumen sind sehr selten und sie blühen nur zwei Wochen lang.“ Überall in der Kirche, auf dem Altar, am Kreuz werden unterschiedlichste Frühlingsblumen am Ostersonntag an die Auferstehung Christi erinnern. „Später lade ich die gesamte Gemeinde zu mir nach Hause ein“, so Rishmawi. Dort werden dann gefärbte Eier verteilt, Süßigkeiten und Kaffee.


Die Freude an dem Osterfest kann den Palästinensern so schnell niemand nehmen, die Vorbereitungen lenken zudem von aller Frustration ab. Stühle muss Pastor Rishmawi noch besorgen, damit sich auch alle bei ihm im Wohnzimmer niederlassen können. Außerdem wartet er auf den Maler, der die Wände von vereinzelten Schimmelflecken befreien soll. Auch Samar hat noch einen Hausputz vor sich. Der Boden, die Wände, die Fenster, die Bilder – alles muss blitzblank sein, schließlich wird am Wochenende Jesus, der Auferstandene, in Empfang genommen.