Die Aufgabe der deutschen Redaktion ist es, vom alltäglichen Leben im Westjordanland zu erzählen. Deshalb machten wir uns gestern auf die Suche nach Geschichten, die ja bekanntlich auf der Straße liegen sollen. Unser Ziel: Gilo. Die jüdische Siedlung wurde Anfang der 1970er erbaut, hat etwa 30 000 Einwohner und ist vielleicht einen Kilometer von Bethlehem entfernt, allein die Mauer lässt die Distanz größer erscheinen. Es war meine erste wissentliche Durchquerung des Checkpoints, am Anreisetag hat der Bus irgendeinen einfacheren anderen Weg genommen.
Der Weg vom Westjordanland nach Israel ist wohl immer ein bisschen schwieriger als hinein ins palästinensische Gebiet. Am Vormittag stand dann auch promt eine aufgeregte Gruppe von Palästinensern vor dem verschlossenen Tor. Wie lang sie dort schon gewartet hatten, als wir kamen, weiß ich nicht. Jedenfalls rief eine Europäerin, die ebenfalls auf die andere Seite wollte und wartete, den Soldaten schon fast ängstlich zu, sie sollten sie doch bitte endlich rausholen. Ein weiteres Tor wurde geöffnet, extra für uns Besucher aus dem Ausland. Und als wir uns solidarisch mit den wartenden Palästinensern zeigen wollten, meinte einer der Wartenden zu uns, das sei zwar sehr freundlich von uns, aber es würde mehr helfen, wenn wir einfach schon den Checkpoint passierten. Eine Minute später durften dann auch die Palästinenser auf die andere Seite.
Die andere Seite, und das wurde mir auch erst wieder bewusst, ist im Übrigen immer noch Territorium der Palästinenser. Denn die Mauer, die seit 2003 um das Westjordanland gezogen wird, fasst weit weniger palästinensisches Gebiet ein, als es mithilfe der Grünen Linie von 1949 vorgesehen war. So wird die Siedlung Gilo von der internationalen Staatengemeinschaft und der UNO als illegale israelische Siedlung eingestuft, da nach Artikel 49, Absatz 6 des Genfer Abkommens über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten die Umsiedlung von Zivilbevölkerung in besetzte Gebiete verboten ist. Die Israelis hingegen nehmen Gilo einfach als Stadtteil Jerusalems wahr.
Etwas Besonderes hat Gilo nicht zu bieten, eigentlich bloß Wohnhäuser und fast menschenleere Straßen. Um unseren Ausflug ein bisschen rechtfertigen zu können, besuchten wir dort Beit HaOr, ein Zentrum für Autisten, in dem zur Zeit ein paar deutsche Volontäre ihren Zivildienst ableisten. Mit ihnen haben wir über ihre Arbeit und das Leben in Israel gesprochen und so auch einen etwas anderen Blickwinkel kennen gelernt. So erzählte einer der Freiwilligen, dass die wenigsten Siedlungen von Extremisten bewohnt seien. Vielmehr wohnten vor allem weniger wohlhabende Juden dort, weil das Leben in den Siedlungen einfach günstiger sei. Auf der anderen Seite gäbe es keine Siedlungen ohne palästinensische Hilfe. Israelische Bauarbeiter, sagte der Freiwillige, habe er noch nie gesehen.
Im August letzten Jahres wurde in Gilo endlich eine Schutzmauer abgebaut, die wegen anhaltender palästinensischer Attacken aus dem nahe gelegenen Beit Dschallah Anfang des Jahrtausends gebaut wurde. Der Konflikt, über den man, wie Anja auf ihrem Blog so schön beschreibt, nicht nicht reden kann, besteht eben aus vielen Facetten und es ist schwer, sich nicht auf eine Seite ziehen zu lassen. Deshalb war es auch gut, auf der anderen Seite nette Menschen zu treffen, die freundlich auf unsere Fragen antworteten und uns hilfsbereit unterstützten.
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